Mellenthin und Lieper Winkel
Mellenthin
Nach einem gemütlichen Vormittag am Strand genießen wir noch ein Mittagessen mit Aussicht auf das Meer und fahren dann ins Landesinnere. Hinter den Dünen, oft nur einige hundert Meter vom Badetrubel entfernt, beginnt ein anderes, ein ländliches Usedom. Die Straße, die wir in Richtung Mellenthin befahren, wird von einer prachtvollen Allee gesäumt, die mit ihren verwachsenen Baumkronen fast einen grünen Tunnel bildet.
Wenn dann die Sonne durch die Bäume fällt, bietet sich ein tolles Lichtspiel. Kleine idyllische Dörfer liegen in dieser ruhigen Landschaft, manche bekannt und gut besucht wie Mellenthin mit seinem berühmten Wasserschloss aus der Renaissance, andere versteckt, aber besonders anmutig wie die Dörfer im Lieper Winkel.
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Unser erstes Ziel ist das kleine Örtchen Mellenthin, ein typisches Gutsdorf mit nur 250 Einwohnern. Die Zufahrt zum Mellenthiner Schloss ist von alten Bäumen gesäumt. Wir parken unseren Wagen direkt neben dem Wasserschloss auf einen öffentlichen gebührenpflichtigen Parkplatz. Erst nachdem wir die Parkgebühr entrichtet hatten, fällt uns die etwas kuriose Parksituation auf. Es gibt zwei Parkplätze, der eine gehört zum Schloss und ist gebührenfrei und auf dem anderen wird von der Gemeinde Geld kassiert. Eine weitere Gebühr wird beim Betreten des Wassergrabens fällig, nämlich der Brückenzoll. Nachdem wir den entrichtet haben, wird uns aber gesagt, dass diese Gebühr in der Gastronomie mit Speisen und Getränken verrechnet wird.
Das Wasserschloss wurde im 16. Jahrhundert als Herrschaftssitz der Adelsfamilie von Neuenkirchen auf einer künstlichen Insel erbaut. Es war eines der stattlichsten Herrschaftshäuser der Region.
Im Laufe der Jahrhunderte erlebte das Wasserschloss viele Veränderungen und Besitzer. Es hat jedoch nichts von seinem unwiderstehlichen Reiz verloren, auch wenn der graue Putz am Herrenhaus bröckelt. Trotz des wenig herrschaftlich anmutenden Renaissancebaus hat es sich dank des Schlossherrn zu einem Touristenmagnet im Achterland gemausert.
Nach der Renovierung sind hinter den alten Mauern ein Restaurant und im Westflügel ein Wellnesshotel untergebracht, außerdem röstet der Besitzer in der ehemaligen Schlosshofkapelle Kaffee und braut sein eigenes Schlossbier in der historischen Brauerei im Ostflügel. Von Innen besichtigen lässt sich das Gebäude nicht, denn von der Inneneinrichtung ist kaum etwas erhalten. Doch sehenswert ist auf jeden Fall das Gewölberestaurant.
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Bevor wir uns in den einladenden Biergarten setzen, spazieren wir erst einmal über eine prächtige Freitreppe in den Schlosspark, der von einem etwa 20 m breiten Wassergraben umgeben ist, in dem sich das Gebäude und die im Park stehenden uralten Bäume im Wasser spiegeln.
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Zum Abschluss unseres Besuches setzen wir uns noch in den Schlosshof und mit einer frischgebackenen Waffel und einer Tasse Kaffee lösen wir unseren Brückenzoll wieder ein. Danach gehen wir die prächtige Lindenallee entlang, die das Schloss mit der Dorfkirche verbindet.
Beiderseits der Allee stehen noch die früheren Wirtschaftsgebäude der Gutsanlage. Auf einem Gebäude befindet sich ein Storchennest, in dem ein Storchenpaar eingezogen ist.
Es herrscht reges Treiben im Nest. Wir bleiben stehen und beobachten die Vögel beim Horstputz und lauschen dem Klappern und Schnabelwetzen.
Vom Brückenwärter haben wir erfahren, dass auf dem Dach dieses Gutshauses jeden Sommer ein Storchenpaar seine Jungen aufzieht.
Gut versteckt liegt die Mellenthiner Kirche hinter der backsteinernen Friedhofsmauer und den mächtigen Eichen. Sie wurde im frühen 14. Jahrhundert erbaut ist damit das zweitälteste Gotteshaus der Insel Usedom. Das Langhaus wurde im 15. Jahrhundert aus Backstein erweitert. Der Turm erhielt 1755 seine heutige Haube. Bei der Restaurierung im Jahr 1930 wurden mittelalterliche Fresken freigelegt, die Bibelszenen zeigen.
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Weiter beachtenswert sind ein Opferstock aus dem 15. Jahrhundert und der mit aufwändigen Holzarbeiten verzierte Altar. In einer Nische steht die Grabplatte von Rüdiger von Neuenkirchen, dem Bauherrn des Schlosses und seiner Gemahlin Ilsabe von Eckstedt.
Botanischer Garten in Mellenthin
In einem Flyer haben wir von dem nahegelegenen Botanischen Garten erfahren. Da er ganz in der Nähe, direkt an der B 110 liegt, machen wir einen Abstecher dorthin. Durch die Holzfigur Pinocchio ist der Garten nicht zu verfehlen.
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Die Entstehung des Gartens im Jahre 2006 ist auf eine private Initiative zurückzuführen. In ihm sollen damals mehr als 50.000 Pflanzen, davon mehr als 1000 verschiedene winterharte Pflanzen, auf einer Fläche von 60.000 qm gepflanzt worden sein.
Bei unserem Besuch wirkte bereits der Eingangsbereich auf uns sehr ungepflegt. Ein Eintritt wurde für diesen Garten bei unserem Besuch nicht mehr genommen. Auch der zweite Eindruck im Garten selbst war mehr als enttäuschend. Der "Botanische Garten" ist eine riesige Wiese, die zum Großteil verwildert und unbepflanzt ist. Die noch zu erkennenden Beete sind zugewuchert mit Unkraut und man kann nur raten, was hier einmal gestanden hat. Und schaffte es das Unkraut nicht, dann sind die Pflanzen vertrocknet, denn hier hat in den letzten Wochen keine Pflanze einen Tropfen Wasser bekommen, trotz der bereits seit Langem anhaltenden Hitze.
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In einem kleinen Gartenbereich waren einmal kleine Teiche angelegt, die jedoch total ausgetrocknet waren. Daher haben auch die Teich- und Wasserpflanzen nicht überlebt. Die Sitz- und Ausruhmöglichkeiten in Form von Bänken und Pavillons waren verdreckt und wenig einladend. Unser Rundgang war nichts als eine große Enttäuschung.
Zu unserer Verwunderung fanden wir jedoch nach langem Suchen noch unter einer Baumgruppe ein blühendes Lilienfeld. Die ausdauernden und nicht sonderlich pflegeintensiven Lilien wachsen schnell an halbschattigen Standorten mit Lehmboden. Diese Zwiebelblume war heute der einzige Blickfang in diesem Garten. Die ursprüngliche Idee hat die Realität eingeholt, denn so ein Garten macht Arbeit und braucht viel Pflege. Anscheinend hat sich da jemand mit der Größe übernommen. Für uns ist der „botanische Garten“ aktuell nicht empfehlenswert.
Lieper Winkel
Usedom hat eine traumhaft schöne Natur, darum wollen wir uns über die vergeudete Zeit im „botanischen Garten“ nicht ärgern und fahren nun zu der landschaftlich reizvollsten Region der Insel Usedom – in den Lieper Winkel. Die Halbinsel ragt in Form einer Glühbirne weit ins Achterwasser hinein und ist vollkommen flach. Lang führte nicht einmal eine Straße zu den Dörfern im Lieper Winkel. Nur das Achterwasser, über das die Menschen mit dem Boot übersetzten, war die Verbindung zur Außenwelt.
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Die einzige Straße, die bis heute zum Lieper Winkel führt, ist eine wunderschöne Allee mit uraltem Baumbestand. Wohl nirgendwo auf Usedom findet man eine solche Abgeschiedenheit und Ursprünglichkeit vor wie auf dieser Halbinsel zwischen Achterwasser und Peenestrom, denn die Touristenströme haben den Weg nach hier noch nicht gefunden. Fünf Dorfer sind hier wie Blütenblätter um das in ihrem Zentrum liegende Liepe gruppiert. Sie alle haben ihren ursprünglichen Charakter bewahrt. Unser erstes Ziel ist das alte Fischerdorf Rankwitz, in dem ca. 150 Einwohner leben.
Er gilt als Hauptort des Lieper Winkels. Gleich am Ortseingang stellen wir unser Auto ab und gehen zum kleinen Hafen des Ortes. Malerisch gelegen lädt der kleine gemütliche Rankwitzer Hafen zum Bummeln und Verweilen ein.
Längsseits des Hafens stehen einige schöne Ferienhäuser sowie die Fischgaststätte „Zur Alten Fischräucherei“, die zum Genießen von Fischspezialitäten einlädt. Sie stehen in ruhiger und einzigartiger Lage mit traumhaftem Blick auf den Peenestrom. Nur ein paar Schiffe liegen heute am Anleger im Hafenbecken.
Vom Anleger haben wir einen herrlichen Blick auf den Peenestrom, der Heimat für viele Vogel- und Fischarten ist. Der große Fischreichtum bewirkt, dass sich der Strom zu einem bevorzugten Lebensraum für Wasservögel wie Seeadler, Reiher und Kormorane entwickelt hat. Ferner besitzt der Peenestrom eine in Deutschland einzigartige natürliche und unverbaute Uferlandschaft und bietet somit schöne Fotomotive. Wir setzen unsere Erkundungsfahrt mit dem PKW fort und fahren über den kleinen ehemaligen Fischerort Quilitz zum Ort Liepe, nachdem die Halbinsel benannt wurde. Er war seit seiner Gründung das Zentrum des Winkels.
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Hier in der Abgeschiedenheit und in der Mitte des Lieper Winkels steht die malerische und älteste Kirche Usedoms. Sie ist die bedeutendste Sehenswürdigkeit des Lieper Winkels. Das kleine, turmlose Gotteshaus liegt, umgeben von einem kleinen, baumbestandenen Friedhof mitten im Ort. Die kleine Kirche in Liepe, die dem Evangelisten Johannes geweiht ist, wurde bereits 1216 urkundlich erwähnt und war damit das erste aus Stein gebaute Gotteshaus auf der Insel. Allerdings ist dieses Gebäude nicht erhalten geblieben. Das heutige Gebäude wurde im 15. Jahrhundert aus Feld- und Backsteinen errichtet. Nach einem Dacheinsturz im Jahre 1792 mussten das Dach und die Einrichtung erneuert werden.
In dem neben der Kirche stehenden, 1860 erbauten und 1993 erneuerten Glockenstuhl befinden sich zwei neue Bronze-Glocken aus dem Jahr 2016 (aufgrund des 800-jährigen Jubiläums der Erwähnung). Die bisherigen Glocken aus den Jahren 1850 und 1955 sind seitlich der Kirche ausgestellt.
Der Innenraum hat eine flache Bretterdecke und ist durch hölzerne Ständer in drei Schiffe untergliedert. An der Nord- und Südwand wechseln sich Spitzbogenfenster mit Spitzbogenblenden ab. Wandmalereien, die die Kreuzigung und Auferstehung Christi zeigen, schmücken die Ostwand. Einzigartig auf Usedom ist der aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts stammende Kanzelaltar. Auf dem ehemaligen Friedhof sind Skulpturen von Künstlern aus der Region ausgestellt.
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Bis vor kurzer Zeit war der Lieper Winkel aufgrund seiner Abgeschiedenheit eher eine faszinierende Landschaft für Künstler und interessierte Usedom-Urlauber. Inzwischen haben viele andere diese zauberhafte Landschaft "entdeckt" und so werden auch in Liepe viele häufig noch marode Bürger- oder Bauernhäuser und Fischerkaten liebevoll saniert und zu Ferienhäusern und Ferienwohnungen verwandelt. Wir setzten unsere Erkundungsfahrt fort, doch in Warthe endet die Straße, die quer durch den Lieper Winkel führt. Das kleine 100-Seelen-Örtchen liegt im hintersten Winkel der Halbinsel versteckt. Es ist ein Hort der Weltabgeschiedenheit. Ein Idyll mit rohrgedeckten Fischerhäuschen, viel Grün und praktisch ohne Autoverkehr. Die urtümlichen Fischerkatten stammen überwiegend aus dem 18. Jahrhundert.
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Das bekannteste Gebäude ist das „Blaue Haus“, welches schon vielen Ansichtskarten als Motiv diente. In malerischer Idylle liegt es inmitten eines verwunschenen Gartens. Da sich bereits der Abend ankündigt, verzichten wir auf eine weitere Fahrt nach Reestow und Grüssow, zumal diese beiden Orte nur über eine schmale Plattenstraße zu erreichen sind. Doch auch ohne diese beiden Orte gesehen zu haben sind wir begeistert von dieser am dünnsten besiedelten und entlegensten Gegend Usedoms – dem Lieper Winkel. Durch die Lage abseits des Badetourismus hat sich diese Region ihren ursprünglichen Charakter bewahrt.
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