Colle di Val d´Elsa
Tiefhängende Wolken über Volterra und kühle Temperaturen, da gab es nur eine Möglichkeit, so schnell wie möglich die Anhöhen rund um die Stadt zu verlassen und den Tag in tiefere und wärmere Regionen zu verbringen. Den Ort Colle di Val d ´Elsa sind wir bei unseren zahlreichen Ausflügen schon mehrmals durchfahren. Es ist eine moderne, lebhafte Industrie- und Handelsstadt in der Ebene und Zentrum der Glasindustrie. Noch heute sind 5 Betriebe mit der Herstellung des Kristallglases beschäftigt. 95 % der italienischen Kristallwaren und 15 % der Weltproduktion kommen aus dieser Stadt.
Uns interessierte aber mehr Colle Alto, die Stadt des Mittelalters, welche lang und schmal gleich auf zwei Hügelrücken über dem Elsatal liegt. Wir stellen unser Auto unterhalb des Berges ab und dann hieß es, wie bei all den idyllischen Bergdörfern, die weit über das Land blicken, hinaufklettern.
Der Aufstieg zur Oberstadt ist steil, doch wir sind sicher, dass es sich auch dieses Mal wieder lohnt. Wir gehen entlang der Mauer, um zur Porto Nuava zu gelangen. Man kann die Altstadt über dieses Tor ohne zu Klettern erreichen, doch mangelt es hier an Parkplätzen.
|
Das Eingangstor La Porta wurde im 15. Jahrhundert gebaut. Zwei massive zylindrische Wehrtürme dienten damals zur Bewachung des Tores, um Angreifer auf der Straße nach Volterra abzuwehren. Heute sind sie ein beliebtes Fotomotiv.
Wir betreten die Altstadt durch dieses Tor und unser Weg führt uns auf der Via Gracco del Secco, vorbei an prunkvollen historischen Palästen, die von früherem Reichtum, der vom 13. bis 18. Jahrhundert florierenden Papierindustrie zeugen, und kommen zur Kirche und Piazza Santa Caterina. Die aus dem 15. Jahrhundert stammende Kirche hat an der Giebelfront ein rustikales Portal mit einem dreieckigen Giebeldach und einem halbkreisförmigen Fenster. Neben der Kirche befindet sich der gleichnamige Platz. Er wurde 1987 restauriert und ist heute eine kleine Grünanlage mit schattenspendenden Bäumen für zahlreiche Bänke.
Wir genießen hier wieder einmal fast autofrei den Bummel durch die kleinen Gassen, denn all diese Städte sind, ausgenommen für die Einheimischen mit Sondergenehmigung, autofrei. Erstaunt sind wir jedoch, wie wenig Touristen uns bei unserem romantischen Spaziergang begegnen. Wir gehen durch schmale Seitengassen, die uns immer wieder einen schönen Blick ins Tal gewähren.
Unser Weg führt uns vorbei an dem alten Rathaus, bevor wir den freien Blick auf die im sechzehnten Jahrhundert gebaute steinerne Brücke haben. Sie ist ein Ersatz der ehemaligen Zugbrücke, die die beiden Ortsteile Borgo und Castello verbindet.
Auf der gegenüberliegenden Seite der Brücke steht der zweistöckige Palazzo Campana. Der schöne Palast wurde genau an der Stelle errichtet, an dem vorher das mittelalterliche Portal „Porta a Ripa“ stand.
Durch den herrlichen Renaissance Bogen, der von vier großen Fenstern flankiert wird, gelangt man auf die Via del Castello, der Hauptstraße des gleichnamigen historischen Stadtteils. Hier treffen wir auf ein Gewirr von teils romantisch überwölbten Gassen.
Die Via delle Volte ist auf 110 m gleich fast vollständig überbaut und wirkt dadurch so niedrig, dass man das Gefühl hat, sich Bücken zu müssen. Ferner wirkt es schon etwas unheimlich, wenn man zum ersten Mal durch diese dunkle Gasse geht.
Dominant in diesem Stadtteil ist der zwischen 1603 und 1630 erbaute Dom. Kurios ist der Dombau, da seine Rückfront weit über die Stadtmauer hinausragt.
Im Inneren steht eine seltene, auf vier Säulen ruhende Marmorkanzel, in Form eines römischen Sarkophags und eine elegante Bronzekanzel. Ferner steht in der Capella del Chiodo ein bronzenes Kruzifix auf dem Hochaltar.
Gleich neben dem Dom befindet sich das archäologische Museum: Im Erdgeschoss sind sechs Gefängniszellen zu besichtigen, die noch Anfang des 20. Jh. als solche Verwendung fanden. Eine schöne Außengastronomie auf der Piazza Canonica, mit ausgezeichneter Küche und einem Glas Rotwein stoppte unseren Rundgang zur Mittagszeit.
Nach einer ausgiebigen Pause fahren wir mit dem seit 2006 gebauten Aufzug kostenlos in die pulsierende Unterstadt Colle Baso. Nach dem Halt des Aufzuges führt der Weg noch durch einen verwinkelten Tunnel, bevor wir auf der Via Garibaldi stehen. Hier spürt man gleich die hektische Atmosphäre einer großen Stadt. Busse und Autos brausen an uns vorbei und zahlreiche große Geschäfte säumen den Weg.
Diese lebhafte Stadt ist Zentrum der italienischen Glasindustrie. Viele Geschäfte bieten die Kristallverarbeitung der Stadt an. Doch die Werkstätten haben auch kleine Geschäfte in der Oberstadt. In einer früheren Glas- und Kristallfabrik, nahe der Kirche San Agostino wurde das „Museo del Cristallo“ eingerichtet. Hier wir die Glasherstellung vom 15. Jahrhundert bis 1963 gezeigt.
|
Geschichtlich hat der Ort weiter nichts zu bieten, doch einen Abstecher zum Zentrum von Colle Bassa, der quadratischen Pizza d´ Arnolfo, die den Namen seines berühmten Bürgers Arnolfo di Cambio, Bildhauer aus dem 13. Jahrhundert trägt, wollten wir nicht versäumen. Ein mächtigern Obelisk und der große Brunnen sowie alte Gebäude mit ihren schönen Arkadengängen umsäumen diesen Platz.
Anschließend ging es noch zur Chiesa di Sant Agustino. Das schlichte Kirchengebäude wurde im frühen vierzehnten Jahrhundert errichtet und 1521 restauriert. Erst viel später kam der Glockenturm dazu.
Danach ging es mit dem Fahrstuhl lieber wieder hinauf nach Colle Alto, wo wir uns das Turmhaus von Arnolfo di Cambio ansehen. Es ist das Geburtshaus des berühmten Architekten der Stadt, der am Bau des Florentiner Doms beteiligt war. Am Torre di Cambio ist ihm zu Ehren eine Gedenktafel angebracht.
Unser Weg führt uns noch durch viele hübsche und malerische Gassen, von denen wir wieder einmal voll auf begeistert sind. Liebevoll mit Blumen geschmückte Häuser, deren bunte Vielfalt sich in Blumentöpfen aneinanderreiht, faszinieren uns jedes Mal neu. Immer wieder bieten sich auch wunderbare Ecken mit herrlichem Blick auf das Umland von Colle.
Um zum Abschluss noch einen wunderschönen Blick auf die beiden Stadtteile von Colle Alto zu bekommen, führt uns der Weg noch zum Kloster San Francesco, welches außerhalb der Stadt, in der Nähe der Porta Nuova liegt und wiederum nur über eine Brücke zu erreichen ist.
|
Romantisch wie auch der Name „Hügel im Tal der Elsa“ ist auch der Blick von der zehnbögigen Brücke hinüber nach Colle Alto, das am späten Nachmittag sogar noch in der Sonne lag. Das Kloster selbst, welches bereits 1229 gegründet wurde und damit eines der ersten Siedlungen der Franziskaner in der Toskana war, ist für uns leider nicht zugängig, doch konnten wir noch einen Blick in die freundliche und helle Klosterkirche werfen.
|
Zurück geht es über die Stadtstraße 68, die uns durch eine sanfte Hügellandschaft nach Volterra führt. Trotz des heute Morgen noch sehr trüben Wetters haben wir einen schönen Tag verlebt und ein charmantes Städtchen, abseits der Touristenströme kennen gelernt und waren für ein paar Stunden Gast in diesen alten Gassen.
Zurück in unserer Ferienwohnung beschwerte uns die Sonne noch „Abendrot beim Abendbrot“. Von unserer Terrasse hatten wir schon mehrere herrliche Sonnenuntergänge erlebt, doch an diesem Abend zeigte sich ein blutroter Horizont über den Hügeln unterhalb von Volterra, den wir in der zurückliegenden Zeit noch nicht erlebt hatten.
|
Wir waren nicht die einzigen Bewohner der Ferienanlage, die sich an diesem Abend die unwirklich erscheinende Landschaft ansahen. Überall klickten Fotoapparate und wir waren alle fasziniert, wie die Sonne an diesem Abend „Aufwiedersehn“ sagte. Bis langsam die Nacht erwachte, standen wir noch zusammen und waren begeistert von dem Abendhimmel, der sich soeben mit einem prächtigen tiefroten Leuchten verabschiedet hatte.
|