26.06.2024 Schoonhoven / Niederlande Ankunft: 17.00 - 04.00 Uhr am 27.06.24 - Temperatur: 27 Grad, sonnig
Die MS Antonia hat heute Morgen die Leinen gelöst und fährt uns nun zu unserem nächsten Etappenziel. Daher heißt es für alle Passagiere: Heute entdecken wir die Welt vom Wasser aus. Der Wettergott hat es auch heute wieder gut mit uns gemeint, sodass sich ein Großteil der Passagiere bereits nach dem Frühstück auf dem Sonnendeck aufhält.
Auf dem Schiff sitzen und die Landschaft vorbeiziehen lassen kann sehr entschleunigend sein. Doch schon nach kurzer Zeit stehen wir an der Reling, denn die MS Antonia fährt in die Sluizen Hansweert – Schleuse Hansweert ein. Es ist eine Doppelschleuse mit 2 Rollentoren direkt nebeneinander. Diese ausgeklügelte Doppelschleusenanlage ist ein wichtiges Bindeglied zwischen der Westerschelde und dem Kanal durch Süd-Beveland.
Kurze Zeit später wurde der Radar- und Fahnenmast abgesenkt, denn wir unterfahren die Vlakebrug. Es ist eine kombinierte Bogen- und Trägerbrücke aus Stahl, die über den Zuidbeveland Kanal beim Vlaketunnel in der Nähe von Schorebrug führt.
Diese klappbare Brücke ist etwa 303 Meter lang und wurde 1992 für den Autoverkehr, Fahrradfahrer und die Eisenbahn eröffnet. Es ist die Ausweichstrecke bei einer Schließung des Vlaketunnels. Der Zugverkehr hat hier Vorrang vor Schiffen auf dem Kanal, d.h., die Klappbrücke öffnet sich nur, wenn kein Bahnverkehr erwartet wird.
Die Niederlande verfügen über ein ausgeklügeltes System von Gewässern. Sie stehen nahezu alle miteinander in Verbindung. Und obwohl die „Niederen Lande“, wie sie bei den Niebelungen heißen, eben sehr flach sind, gibt es Schleusen. Und so fahren wir gegen Mittag in die Krammerschleusen. Sie sind Teil des Philipsdam, der ein wichtiger Bestandteil der Deltawerke in den Niederlanden ist.
Der Damm trennt die Gewässer Krammer und Volkerad von der Oesterschelde. Der Krammer-Komplex ist ein imposantes Zeeland-Gebäude mit zahlreichen Funktionen. Die Schleusen schützen vor Hochwasser, trennen Süßwasser vom Salzwasser und ermöglichen die Durchfahrt der Schifffahrt. Die Schleusen wurden für die Binnenschifffahrt gebaut und sind 280 Meter lang und 24 Meter breit, was sie auch für große Schubverbände geeignet macht.
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Während wir interessiert das Ein- und Ausfahren in der Schleuse beobachten, hat die Küchencrew die letzten Vorbereitungen für unser Barbecue auf dem Sonnendeck getroffen. Die MS Antonia verfügt über ein komfortables und zugleich gemütliches Restaurant, doch heute Mittag bleibt die Küche kalt und die Stühle leer im Vier Jahreszeiten-Restaurant. In mehreren Bereichen des Sonnendecks haben die Grillmeister am Barbecue-Grill das Garen verschiedener Fleischsorten übernommen. Dazu können wir uns am Buffet mit einer Auswahl bunter Sommersalate, verschiedenen Grillsoucen und Dips selbst verwöhnen. Die Genussmomente und das besondere Flair lässt heute sicherlich auch beim letzten Gast eine entspannte Ferienstimmung aufkommen.
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Nachdem wir unser Lunch auf dem Wasser hinter uns haben, läuft die MS Antonia die Volkerak-Schleuse an. Die im Rahmen des Delta-Plans errichteten Schleusen sind Europas größter und verkehrsreichster Schleusenkomplex, mit drei nebeneinanderliegenden Schleusen. Ferner sind sie die größten Binnenschifffahrtsschleusen der Welt, in Bezug auf die Durchgangstonnage. Diese Wasserstraße ist eine wichtige Verbindung in der Schelde-Rhein-Verbindung und wurde zwischen 1957 und 1967 erbaut.
Am Nachmittag unterfahren wir die Grote Beer Brücke. Eine Überführung über den Fluss Maas. Der Fluss ist 950 km lang und ein bedeutender Fluss in Westeuropa. Eine Reise entlang ihrer Ufer führt durch unterschiedliche Landschaftstypen.
Wir sitzen gerade bei einer Tasse Kaffee in der Panorama-Lounge da bekommen wir von unserem Kreuzfahrtleiter Peter Schultze die Durchsage, dass wir gleich an den Mühlen von Kindeerdijk vorbeifahren. Schnell gehen wir hinauf aufs Sonnendeck, denn nur von dort hat man einen Blick auf das Weltkulturerbe. Die Mühlen von Kindrerdijk sind eine Gruppe von 19 Windmühlen und gehören zu den bekanntesten Sehenswürdigkeiten in den Niederlanden.
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Die 1740 erbauten Mühlen dienten dazu, das tieferliegende Gebiet Alblasserwaard vom Wasser zu befreien und aus den Poldern abzupumpen, um so den Boden landwirtschaftlich nutzbar zu machen. Heutzutage haben Pumpen die Arbeit der Mühlen übernommen. Trotzdem erfreuen sich die Mühlen immer noch großer Beliebtheit und erinnern an längst vergangene Zeiten. Sie werden zu besonderen Anlässen wieder in Betrieb genommen. Eine der Mühlen auf dem Nederwaard-Polder ist sogar von innen zu besichtigen, manch andere hingegen ist in Privatbesitz und wird als Wohnhaus genutzt.
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Bei herrlichem Sonnenschein sitzen wir bequem in den mit dicken Kissen ausgestatteten Korbmöbeln, über uns ein riesiger schattenspendender Sonnenschirm und genießen die vorbeiziehende Landschaft so auch der Ort Lekkerkerk. Es ist ein langgestrecktes Deichdorf und stark zum Fluss hin orientiert. Rund um die Grote- oder Johanneskerk hat sich jedoch ein Dorfkern gebildet. Die vom Wasser gut zu erkennende Kirche wurde 1575 erbaut und hat einen eingebauten Westturm. 1972 wurden die Kirche und der Turm wegen ihrer bau- und kulturgeschichtlichen Bedeutung zum Nationaldenkmal ernannt.
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Gegen 16.30 Uhr kommen die ersten Sehenswürdigkeiten von Schoonhoven in Sicht. Der Ort liegt etwa 12 km südlich von Gouda am Nordufer der Lek. Der 50 m hohe Watertoren (Wasserturm) fällt sofort ins Auge. Das Gebäude ist aufgrund seiner Holzbauweise und der markanten Architektur einzigartig in seiner Art. Er wurde 1901 erbaut und diente bis 1982 dazu, das Wasserversorgungsnetz von Schoonhoven unter Druck zu setzen. Im Jahre 1995 wurde der Turm komplett restauriert und steht zum Übernachten zur Verfügung.
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Nur ein paar Minuten später legen wir, direkt gegenüber dem Stadttor an und unser Stadtspaziergang kann beginnen. Das Veerpoort verdankt seinen Namen der Fährverbindung zwischen Schoonhoven und Gelkenes auf der anderen Seite des Lek. Es ist das einzige erhaltene Tor der Stadt. Der Torwächter wohnte bis 1862 in dem Raum über dem Tor. Heute ist in den Räumen die Schmuckgalerie Meesters van de Zilverstad, die 2018 vom Bürgermeister Roel Cazemier eröffnet wurde. Das Stadttor ist Teil des Hochwasserschutzes und wird bei Flut mit Holztüren verschlossen, wobei die Holztüren eine auf den Fluss ausgerichtete Spitze bilden und so dem Wasserdruck standhalten können.
Schoonhoven ist eine romantische, typisch holländische Kleinstadt. Wegen der durchaus überschaubaren, aber sehr schönen Altstadt kommen viele Touristen hier her. Auf der Veerstraat stehen gleich zwei Skulpturen von dem Bildhauer und Restaurator Jan van Ipenburg unter dem Titel „der faule Lehrling und der Farbmischer“. Die Skulptur Farbmischer zeigt eine Topfmühle, das erste handbetriebene mechanische Werkzeug für die Herstellung von Farben. Die Ausgangsstoffe wurden direkt von den Erzeugern oder von Apotheken bezogen, die eigentliche Farbenherstellung besorgten die Maler selbst.
Die Verbindung von Schoonhoven und Silber reicht bis ins 14. Jahrhundert zurück. Die Bedeutung dieses Handwerks wuchs bis ins 19. Jahrhundert. Seinerzeit verdienten rund 40 % der Bevölkerung ihren Lebensunterhalt in der Silberverarbeitung. Auch wenn die Bedeutung nachgelassen hat, so wird heute noch in über 20 Ateliers die Tradition fortgesetzt.
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Ein plastisches Relief von Jan van Ipenburg aus dem Jahre 1971 zeigt uns an der Fassade, dass wir an der Ecke Haven 1 vor einem Juweliergeschäft stehen. Heute verfügt Schoonhoven mit der „Zilvervakschool“ über die einzige Ausbildungsstätte für Gold- und Silberschmiede in den Niederlanden. Hier werden zukünftigen Goldschmieden die Kniffe des Fachs beigebracht. Die charmante Altstadt eignet sich hervorragend zum Flanieren und Schaufensterbummel. Teile der Innenstadt sind autofrei, so kann man ungestört laufen.
Wir bummeln entlang der Gracht und sehen gegenüber das Edelambachtshuys – Edelhandwerkshaus -. Das Museum in der ehemaligen Synagoge der Stadt bietet eine interessante Sammlung der in Schoonhoven hergestellten Silberwaren. Hier wird einzigartiger Silber- und auch Goldschmuck, aber auch modernes Großsilber und typisch jüdisches Tafelsilber präsentiert. Schade, für Museumsbesuche haben wir heute zu spät angelegt. Das prächtige Stadthuis – Rathaus – liegt im Zentrum der Stadt und ist entlang der Gracht aufgrund seines Turms schon von Weitem zu sehen. Es hat in der Mitte des Daches einen herausragenden Turm, der 1535 für ein Glockenspiel errichtet wurde. Das ursprüngliche Gebäude stammt aus dem 15. Jahrhundert, wurde aber bei Restaurierungen in den Jahren 1776 und 1927 stark verändert, sodass nur noch wenig vom ursprünglichen Charakter übrig ist. Im Jahr 1775 wurde eine Kanone, die der Entdecker Olivier van Noort der Stadt geschenkt hatte, zu Glocken eingeschmolzen. Heute hat das Rathaus ein Glockenspiel mit fünfzig Glocken. Die Spielzeiten sind mittwochs von 11.30 bis 12.30 Uhr und samstags von 10.00 bis 11.00 Uhr. Also wieder einmal zur falschen Zeit am rechten Ort.
Eine weitere Skulptur von Jan van Ipenburg steht vor dem Stadthuis. Sie würde nicht weiter auffallen, wäre da nicht ihre Größe. Die Skulptur „Mann und Frau“ steht auf einen Sockel und so schaut das Paar zum Betrachter herab.
Bei unserem Bummel entlang der kleinen Gassen fällt uns, neben all den kulturellen Gebäuden, ein Blumenladen auf. Oft sagt man, die Haustür ist die Visitenkarte jedes Zuhauses. Hier war der Eingangsbereich, das Fenster und der umliegende Bereich vor dem Geschäft rund um die Blumen bunt dekoriert. Zu den verschiedenen Vasen und Gefäßen peppten Topfpflanzen den Bereich auf und boten einen tollen Blickfang. Da war der Gedanke nicht fern „wie geht es unserem Garten zu Hause bei der Wärme“?
Das Stadskorempakhuis in der Koestraat ist ein ehemaliges Getreidelager aus dem 16. Jahrhundert. Es wurde nach einem strengen Winter und der Ernteausfälle zur Versorgung der Bewohner errichtet, damit niemand mehr hungern sollte. Dieses markante Gebäude besteht aus drei Stockwerken und hat einen Treppengiebel. In den oberen beiden Stockwerken wurde das Getreide gelagert, im unteren Stockwerk befand sich eine Schule. Auf einer Tafel befindet sich das Wappen der Stadt Schoonhoven.
Die Grote- oder Bartholomeuskerk ist die protestantische Hauptkirche in Schoonhoven. Die Kirche wurde wahrscheinlich im 13. oder 14. Jahrhundert gebaut. Der Turm stammt aus dem 15. Jahrhundert. Während der Restaurierung, die von 1927 bis 1934 dauerte, wurden sechzig Betonpfähle gerammt, um ein Umkippen des Turms zu verhindern. Seitdem steht der Turm etwa eineinhalb Meter aus dem Lot.
An der Wand der Kirche steht der Grabstein des Entdeckers Olivier van Noort. Der Stein trägt die Inschrift: „Dies ist derjenige, der die ganze Welt umrundet hat“. Ferner hat Olivier van Noort der Stadt eine Kanone geschenkt, die zu Glocken eingeschmolzen wurde und noch heute im Glockenspiel der Kirche hängen. Die Katholiken bauten später eine eigene neue Kirche am Wall, die ebenfalls nach Bartholomäus benannt wurde.
Die Bronzeskulptur „Libera Mee“ in der Kerkstraat steht vor der Grote- oder Bartholomeuskerk. Dieses Befreiungsdenkmal wurde 2002 von der niederländischen Bildhauerin Dorothé Jehoel geschaffen.
Als Silberstadt ist Schoonhoven fast sieben Jahrhunderte alt. Mit der Skulptur „Silversmith“ hat Ineke van Dijk einen Silberschmied dargestellt, der eine flache Silberplatte meißelt. Am 1. Dez. 1979 wurde die Skulptur vom 77jährigen pensionierten Silberschmied Antoon Rood enthüllt, dem damals zweitältesten Silberschmied in Schoonhoven. Als man im 14. Jahrhundert die örtlichen Silberschmiede mit der Herstellung von Silber- und Goldgegenständen beauftragte, konnte man sich nicht vorstellen, dass damit der Grundstein für die heutige nationale Silberstadt gelegt wurde. Seitdem arbeiteten hier rund tausend Goldschmiede. Auch heute noch zählt die Gilde der Gold- und Silberschmiede fast fünfzig Mitglieder und der Ort hat mehr als 20 offene Ateliers, Galerien und Juweliere.
Bei unserem Spaziergang durch den Ort stehen wir nun vor der Sint Bartholomeuskerk. Sie wird von der römisch-katholischen Kirchengemeinde genutzt. Es ist eine dreischiffige Pseudo-Baslika aus dem Jahr 1872, mit einem Turm in der Mitte der westlichen Seitenmauer. Der Turm besteht aus drei Abschnitten und einer verengten Nadelspitze. Der Haupteingang befindet sich unter dem Turm in der westlichen Seitenwand. In der Kirche befindet sich eine Pfeifenorgel aus dem Jahr 1784. 1972 wurde die Kirche aufgrund des Vorhandenseins dieser Orgel zum Nationaldenkmal erklärt.
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Gegenüber der Kirche befindet sich eine Herz-Jesu-Statue aus dem Jahr 1925. Die Verehrung des „Heiligsten Herzens Jesu ist eine Ausdrucksform der römisch-katholischen Spiritualität, dabei wird Jesus Christus unter dem Gesichtspunkt seiner durch sein Herz symbolisierten Liebe verehrt.
Ein paar Schritte weiter und wir stehen vor der Pfarrei St. Bartholomäus. Dass diese katholische Pfarrei seit jeher dem Heiligen Bartholomäus geweiht ist, liegt daran, dass dieser Heilige der Schutzpatron einer Zunft ist, in der Gerber, Teppichweber und Goldschmiede vereint sind.
Wir bummeln entspannt durch die kleinen Gassen von Schoonhoven und kommen zum Schluss unseres Rundgangs zu einer malerischen Zugbrücke, die über das alte Schleusentor führt. Sie dient den Fußgängern dazu, den Weg über die Wasserfläche zu ermöglichen. Doch ihre zweite Funktion ist entscheidend und unterscheidet sie von herkömmlichen Brücken: "Das Durchlassen von Schiffen".
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Denn sind die Masten der Segelboote zu hoch und ragen über die Brücke hinaus, muss diese geöffnet werden. Hinter dem Tor befinden sich der Hafen und die Liegeplätze des Wassersportvereins „De Zilvervloot“. Dieses Schleusentor unter der weißen Zugbrücke wird jedes Jahr von Oktober bis März geschlossen, um die niedriger gelegene Innenstadt und den Polder vor Hochwasser zu schützen.
Die Lage am Fluss Lek machte Schoonhoven früher zu einem guten Ort, um eine befestigte Stadt zu schaffen, insbesondere weil der Ort an der Altholländischen Wasserlinie liegt. Auf der anderen Seite des Lek liegt die befestigte Stadt Nieuwpoort, was bedeutete, dass die Schifffahrtsverbindung durch den Lek von beiden befestigten Städten gut verteidigt werden konnte. Noch heute sind Teile der ursprünglichen Festungsmauer sichtbar, ebenso ein Teil der Verteidigungswälle sowie eine Kanone, die an diese Zeit erinnert.
Nach dem Essen sitzen wir auf dem Außendeck und lassen das Erlebte noch einmal an uns vorbeiziehen. Um ehrlich zu sein, hatten wir vor unserem heutigen Besuch in Schoonhoven noch nie etwas von diesem Ort gehört. Schön, dass uns Flussschiffe an Orte bringen, die man noch nicht kennt, die uns aber hinterher begeistern.
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