Bummel durch das grüne Überlingen.
Dank der Landesgartenschau, die Überlingen 2021 ausgerichtet hat, ist die Stadt um viele grüne Orte reicher. Wir lassen uns von den schönen Fotos im Internet inspirieren und wollen nun herausfinden, ob diese Orte auch in der analogen Welt, 2 Jahre nach der Landesgartenschau, noch heute einen Spaziergang wert sind.
Haben wir Überlingen in diesem Urlaub schon mit dem Rad angefahren, geht es für uns heute mit dem PKW ins Parkhaus West. Es liegt zentrumsnah am Eingang des Stadtgartens. Die Entstehung des 1875 angelegten Gartens verdankt die Stadt dem Wunsch, für die zahlreicher werdenden Kur- und Badegäste auch einen attraktiven Park bieten zu können. Die ersten Pflanzen kamen von der Insel Mainau, wo es seit 1855 einen großherzoglichen Park gab.
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Gleich am Eingang begrüßt uns eine Holzfigurengruppe, die der Motorsägenprofi Ricardo Villacis mit zwei Mitarbeitern des Grünflächenamts geschaffen hat. Es ist Kettensägenkunst aus alten Bäumen. Die gut gelungene filigrane Figurengruppe, die das Trio „Zauberwald“ genannt hat, ist wirklich eindrucksvoll. Gemeinsam mit dem imposanten Gesellen, dem Zauberer Gandalf wachen sie über den Stadtgarten. Die einstige Stadtbefestigung bildet heute einen grünen Gürtel. Der Gallergraben führt vom Eingang in den Stadtgarten bis zum Aufkircher Tor. Bis zu 20 m hohe Felswände geben dem Gallergraben seine besondere Dramatik.
Durch diesen Graben führt der Fuchsienweg. Den Weg säumen unterschiedliche Fuchsarten in Form von Sträuchern und Bäumchen sowie der Quellturm. Es ist ein zweigeschossiger, halbrunder Turm mit kleinen Schießscharten. Er hatte zwei Funktionen: Erstens diente er zur Verteidigung des rund 20 Meter breiten Grundgrabens, zweitens diente er dem Schutz der Heilquelle, die im Felsen entsprang und seitdem späten 15. Jahrhundert bekannt war. Ab etwa 1580 wurde ihr Wasser im Untergeschoss des Turms gesammelt und durch Röhren aus ausgehöhlten Baumstämmen zum Badehaus geleitet.
Nicht weit entfernt vom Quellturm stehen wir vor dem hoch aufragenden Gallerturm. Er gehörte zur ehemaligen Stadtbefestigung. Benannt ist der Turm nach einem Frauenkloster, das dem hl. Gallus geweiht war und 1534 den neuen Wehranlagen weichen musste. Die Rundform des 30 Meter hohen Turms lenkte einst Geschützkugeln ab, was der damals aktuellen Verteidigungstechnik entsprach. Dass er bis heute erhalten geblieben ist, verdankt der Gallerturm seiner Lage am Rande des Stadtgartens.
Zum Aussichtspunkt Gallerhöhe führen gleich neben dem Parkhaus Stufen hinauf. Von der Höhe neben dem Turm genießt man einen herrlichen Blick über den Stadtgarten sowie den See und die Stadt.
Der Gallergraben führt uns bis zum Aufkircher Tor. Es ist neben dem Franziskanertor das Einzige, das von den ursprünglichen neun landesseitigen Stadttoren erhalten geblieben ist. Das Stadttor ist Teil der im 14. Jahrhundert geschaffenen Ummauerung des „Dorfs“. Einst führte vor dem Tor eine Zugbrücke über den gewaltigen Stadtgraben, der unmittelbar vor dem Tor verfüllt wurde.
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Während das Äußerste des Torbaus im Wesentlichen unverändert geblieben ist, wurden 1929 der Fußgängerdurchgang und 1968 die neue Straßentrasse angelegt. Hierfür wurde die historische Mauer abgerissen und eine neue mit flachen Bogen über die Straße errichtet. Trotz der An- und Umbauten des 19. und 20. Jahrhunderts zählt es zu den ältesten erhaltenen Teilen der Stadtbefestigung.
An diesem Tor mündet der Galler- in den Scheerengraben. Hier steht mitten in einem Wehrgraben ein schlanker Turm mit Schießscharten und Zinnenkranz. Es ist ein industrielles Bauwerk in historischer Form, wie es zur Zeit seiner Errichtung üblich war. Das mittelalterlich anmutende malerische Türmchen wurde 1901 als Entlüftungskamin des rund 950 Meter langen Eisenbahntunnels gebaut, der in weitem Bogen die Stadt unterquert.
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Im Zeitalter der Dampflokomotiven brauchten lange Tunnels Entlüftungskamine, um den Rauch aus der Röhre zu befördern. So drangen auch aus diesem Turm von Zeit zu Zeit dichte Rauchwolken und gaben Anlass für Fantasien - aufgrund des aufsteigenden Rauchs soll es eine Hexenküche gewesen sein - im Turm sitzt ein feuerspeiender Drache -. Der Bau dieses Tunnels war übrigens der Grund für das Versiegen der Mineralquelle, die seit dem späten 15. Jahrhundert genutzt worden war und Überlingen zu einem beliebten Kurort gemacht hatte.
Der Stadtgarten von Überlingen besteht aus 2 Teilen, dem unteren und dem oberen Stadtgarten – getrennt durch eine riesige Felswand. Über diverse Treppen führt uns ein gewundener Weg entlang des Molassefelsens hinauf zum oberen Stadtgarten.
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Im Schatten hoher Baumkronen gelangen wir zum sogenannten Hexenhaus. Uns erinnert es eher an eine Miniaturausgabe einer norwegischen Stabkirche. Schmuck hergerichtet ist das Hexenhaus am Waldrand heute ein beliebtes Ausflugsziel und Fotomotiv und ist ganz besonders für Kinder interessant.
Direkt daneben befindet sich einer der schönsten Aussichtspunkte von Überlingen. Es ist ein 120 Jahre alter Pavillon, der auf einem Felssporn steht. Von dort hat man einen wunderschönen Ausblick auf den Überlinger See und dem unter uns liegenden Gartenbereich.
Steile Treppen mit verschiedenen Aussichtsterrassen, von denen man den unter uns liegenden Stadtgarten schön überblicken kann, führen uns hinunter auf eine Allee. Dank der geschützten Lage und dem vergleichsweise milden Bodenseeklima gedeihen hier viele Wärme liebende Pflanzen.
Im Sommer werden Bananenstauden, Cannas und andere exotische Gewächse in die Beete gepflanzt. Ein blumengeschmückter Weg führt uns zu einem Rondell um den malerischen Springbrunnen. Der Brunnen ist ein tolles Fotomotiv und die umstehenden Ruhebänke laden zu einer Rast ein. Beim Plätschern des Brunnenwassers kann man die schön gestaltete Kakteengruppe betrachten.
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Die Familie der Kakteengewächse fasziniert den Betrachter immer wieder. Unverkennbar sind die Dornen und Borsten der Kakteen, welche die Blätter ersetzen und dieses bizarre Aussehen der Kakteen besitzt eine einzigartige Wirkung. Die Kakteengewächse nennen fast ausnahmslos die Wüsten, Halbwüsten und Steppen Südamerikas ihre Heimat. Helle Standorte in der Vollsonne machen ihnen dabei nichts aus und so hat man ihnen auch hier einen vollsonnigen Platz zugedacht. Im Zuge der Landesgartenschau 2021 ist ein Pflanzenhaus entstanden, in dem die Kakteen ganzjährig besichtigt werden können. Hier im Stadtgarten stehen nur noch winterharte Kakteen und Sukkulente.
Der Überlinger Garten ist durch seine Artenvielfalt ein sehr abwechslungsreicher Park. Es gibt hier heimische und exotische Pflanzen, malerisch gelegene Bänkchen und Grünflächen. Er bietet ein traumhaftes Feeling. Hier findet man Ruhe abseits vom Trubel und genießt in blumenumrankten Lauben die herrliche Natur.
Durch den Park schlendernd, die unterschiedliche Blumenpracht geniesend, kommen wir auch zum Rosengarten. Zur Blütezeit betören hier duftende Edelrosen die Sinne. Die verschiedensten Rosenstöcke standen leider erst in Knospen und werden erst in einigen Wochen wunderschön blühen.
Jede Menge Sitzgelegenheiten zum Bestaunen dieser verschiedenen Rosenstöcke laden zum Genießen ein. Der Rosengarten wurde 1939 im französischen Stil mit geometrischen Beeten und Wegen sowie mit zwei Wasserbassins angelegt. Auch ohne seine Blütenpracht ist er traumhaft schön und gepflegt. Hinweisschilder geben Auskunft darüber, welch betörender Duft einem gerade in die Nase steigt wie z.B. „Gloria Dei“, „Duftwolke“ oder „Duftfestival“ und viele andere. Rosen verzaubern durch ihre Optik und noch mehr durch ihren jeweils einzigartigen Duft. Mal frisch und fruchtig, mal romantisch und besinnlich.
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Im Zuge der Landesgartenschau ist das Pflanzenhaus gebaut worden. Nach über 125 Jahren im Sommer im Stadtgarten und Überwinterung in wärmeren Hallen, haben die Überlinger Kakteen und Sukkulenten nach der Landesgartenschau einen „festen Wohnsitz“ im Pflanzenhaus in den Villengärten am See bekommen. Die stacheligen Freunde präsentieren sich nun im neuen gläsernen Pflanzenhaus und bezaubern durch die großartige Inszenierung.
Hier kann ein Teil der umfangreichen Kakteensammlung der Stadt, mit den zum Teil über 100 Jahre alten, bis zu sieben Meter hohen und rund 300 Kilogramm schweren Kakteen und Sukkulenten täglich bewundert werden. Den rund 1.000 ausgestellten Kakteen und Sukkulenten stehen rund 250 Quadratmeter Beetfläche zur Verfügung.
Draußen ist es ein sonniger Vorfrühlingstag, hier drinnen ist Hochsommer, doch für die Kakteen, die hier in allen Größen, Formen und faszinierender Vielfalt stehen, sind die Bedingungen ideal. Kakteen kommen mit praller Sonne klar. Sie haben eine dicke Wachsschicht, die sie vor der Sonne schützt. So verlieren die stachligen Pflanzen selbst bei großer Hitze kaum Wasser. Außerdem haben Kakteen Dornen anstatt Blätter, denn über die Blätter könnten die Pflanzen zu viel Flüssigkeit verlieren.
Die exotischen Pflanzen sind nach ihrer geografischen Herkunft in den jeweiligen Beeten gruppiert. So gibt es einen Bereich mit Kakteen vom amerikanischen Kontinent und weitere Beete mit Pflanzen von den kanarischen Inseln, von Madagaskar und dem östlichen Afrika. Mit dem Bau des Pflanzenhauses ist ein neuer Besuchermagnet entlang der Uferpromenade entstanden.
Unser Spaziergang entlang des Gartenkulturpfads führt uns vom Stadtgarten, dem Kakteenhaus nun durch die Villengärten, dem Arboretum am See. Die Villengärten, die während der Landesgartenschau 2021 als Ausstellungsfläche dienten, haben einen alten Baumbestand. Hier kann man unter den mehr als 60 Jahre alten Bäumen auch einen Götterbaum, Tulpenbaum sowie einen Mammutbaum entdecken.
Mit der Landesgartenschau hat Überlingen eine schön gestaltete Uferpromenade bekommen, die wir bis zum Badgarten entlang gehen. Als Kurpark nach dem Bau des Badhotels angelegt erhielt er 1953 sein heutiges Aussehen. Auch hier gibt es einen zum Teil als Naturdenkmal geschützten alten Baumbestand mit mächtigen Stämmen.
Nach einem kleinen Mittagessen mit Seeblick beginnen wir mit unserem Stadtbummel, der uns zum Hoffstatt bringt. Es ist ein zentraler Platz in der Altstadt von Überlingen, auf dem das Rathaus mit Pfennigturm steht. Es steht angrenzend südlich in direkter Nachbarschaft zum Münster St. Nikolaus.
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Das Rathaus ist ein denkmalgeschütztes Gebäude, das in drei Bauphasen im 14., 15. und 16. Jahrhundert errichtet wurde und bis heute durch die örtliche Stadtverwaltung genutzt wird. Der älteste Teil besitzt Holzdecken aus dem 1400 Jahrhundert. Die Fassade des neuen Teils ist zur Hofstatt hin mit Rustika-Quadern nach italienischem Renaissance-Vorbild verblendet. 1513 entstand der sogenannte Pfennigturm, der als reichsstädtische Münze und zur Aufbewahrung des Stadtschatzes diente. Ferner besitzt das Rathaus einen der schönsten spätgotischen Ratssäle Süddeutschlands mit prachtvollen Schnitzereien, der auch heute noch als Sitzungssaal genutzt wird.
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Der gleich danebenstehende Überlinger Münster St. Nikolaus ist die größte gotische Kirche am Bodensee und Wahrzeichen Überlingens. Sie ist dem hl. Nikolaus geweiht, dem Patron der Seeleute, Fischer, Kaufleute, Pilger und Reisenden. Mit dem Bau der größten gotischen Kirche in der Bodenseeregion wurde 1350 im Chorbereich begonnen; die Fertigstellung der eindrucksvollen fünfschiffigen Basilika erfolgte 1576. Der Münsterturm beherrscht mit seiner Höhe von 66 Metern nicht nur die Stadt, sondern ist auch als Landmarke von Weitem sichtbar. Ursprünglich sollte die Kirche zwei Türme bekommen. Der zweite Turm verblieb jedoch im Zustand der 1420er-Jahre; in ihm hängt die 1444 gegossene „Osanna“, mit knapp neun Tonnen Gewicht die größte Glocke des Münstergeläuts.
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Mit zahlreichen Werken von etwa 1300 bis zum frühen 20. Jahrhundert besitzt die Kirche eine reiche Innenausstattung. Allen voran den von Jörg Zürn von 1613 bis 1616 geschnitzten Hochaltar. Mit einer Höhe von rund zehn Metern und einer Breite von rund fünf Metern gehört dieser Marienaltar zu den größten mittelalterlichen Schnitzaltären in Deutschland. Die Wand über dem Chorbogen ist mit einem riesigen Fresko bemalt, das das Jüngste Gericht darstellt. Im Jahre 1722 gemalt, soll es für die Gläubigen eine ständige Mahnung sein.
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In den Seitenkapellen des Langhauses stehen 13 weitere Altäre, die aus der Zeit vom 15. bis zum 19. Jahrhundert stammen. Die Altaraufbauten sind zum Teil mit prächtigen Schnitzereien dekoriert.
Die Hauptorgel des Münsters, die sogenannte Nikolausorgel wurde 1968 durch die Orgelbaumanufaktur Mönch und Pfaff erbaut, 1996 und 2013 erweitert und besitzt 53 Register.
Mit einem hervorragenden Klangbild erfüllt die große Nikolausorgel das Münster mit wunderbarer Musik.
Einen würdigen Platz neben Kirche und Rathaus hat die Skulptur „Überlingerinnen in Festtagstracht“. Mit der Einweihung der lebendigen Darstellung von „Frau mit Kind“ am 14.05.2023 hat der Trachtenbund somit einen würdigen und sichtbaren Platz in der Wahrnehmung der Stadt Überlingen und ihrer vielfältigen Kultur und Geschichte bekommen.
Ende des 19. Jahrhunderts geriet die Überlinger Tracht aus der Mode und die kostbaren Hauben verschwanden auf dem Dachboden. Seit 1924 gehört die historische Frauentracht in Überlingen nun wieder ins Stadtbild.
Über 170 Frauen und Mädchen tragen ihre Radhauben und langen Seidenkleider bei den Überlinger Schwedenprozessionen und anderen festlichen Anlässen von Stadt und Kirchengemeinde. So wird in Überlingen Tradition bewahrt und im Überlinger Trachtenbund zugleich die Gemeinschaft gelebt.
Nur ein paar Schritte weiter stehen wir vor der niedlichen kleinen hölzernen Rathaustür, einem Eingang für das alte und neue Rathausgebäude. Wer hierdurch das Rathausgebäude betritt, muss schon seinen Kopf einziehen.
Wir umrunden den Kirchplatz und kommen zur Pfarrhofstraße, wo eine italienische Eisdiele uns unter hohen Bäumen zu einer erneuten Pause einlädt.
Die Sonne scheint, die Temperaturen steigen und die Laune macht eine steile Kurve nach oben, was passt da besser als ein leckeres Eis in einer Waffel zu lutschen und das bequem in Strandstühlen der Landesgartenschau sitzend.
Bei unserem Stadtbummel kommen wir wieder zum sogenannten Stadtgraben, er gehört zur ehemaligen Befestigungsanlage. Dieser Teil ist heute Verbindung zwischen Stadtgarten und Oberstadt. Es sind einmalige, meist aus Schluchten bestehende historische Verteidigungsanlagen, die deutschlandweit Ihresgleichen suchen.
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Dabei handelt es sich um in den Sandstein gehauene, einst durch Mauern verstärkte Gräben, die nicht nur um die Altstadt, sondern auch mitten hindurchführen. Dieser grüne Gürtel trägt maßgeblich zur besonderen Atmosphäre der Stadt bei und ist ein Naherholungsgebiet mit Erlebniswert geworden, ganz ohne Eintritt!
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