Mit dem Fahrrad auf die Insel Reichenau
Wieder einmal fahren wir mit unseren Rädern zum Fähranleger nach Meersburg. Entgegen unserer ersten Fahrt hinüber nach Staad haben wir heute frühlingshafte Temperaturen, was wir auch an der großen Zahl der Fahrradfahrer feststellen können. Doch für jedes Rad findet sich ein Platz, sodass keiner zurückgelassen wird. Selbst wann man nicht sofort mitgenommen wird, braucht man nicht lange warten, da die Fähren im ständigen Pendelverkehr fahren.
Die Fahrt zwischen Meersburg und Konstanz-Staad dauert zwar nur gute 10 Minuten, aber die machen trotzdem Spaß. Wieder einmal stehen wir an der Reling und genießen den Blick über den See, bis wir den Sportboothafen von Konstanz-Staad neben uns sehen und die Fähre bereits wieder am Anleger festmacht.
Da wir die Strecke bis nach Konstanz in diesem Urlaub bereits schon einmal gefahren sind, braucht es keine lange Orientierung bis wir die Seestraße mit seiner schönen Promenade erreicht haben. Sie verläuft als Fahrstraße mit seeseitiger Fußgängerpromenade, die durch Platanen gesäumt ist. Das Gelände für die Straße wurde 1868 durch Aufschüttung gewonnen.
Haben wir bei unserer letzten Tour das Haus Prym bewundert, sind wir heute von der Blütenpracht vor dem Hotel Riva begeistert. Die Jugendstilvilla mit Neubau hat eine einzigartige Lage, direkt am Seeufer des Bodensees.
Von hier radeln wir wieder zur Rheinbrücke und hinüber zum Rheintorturm. Der Turm, in dem heute das Konstanzer Fastnachtmuseum untergebracht ist, war im Mittelalter Teil der Stadtbefestigung. Dieses Stadttor bildete früher den einzigen Zugang zur Stadt von Norden her über den Rhein. Es ist heute eines der bedeutendsten mittelalterlichen Bauwerke der Stadt.
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Auf dem Rheinsteig zwischen Rheintorturm und Pulverturm stehen vier Skulpturen aus Sandstein. Die jeweils 2,70 Meter hohen Skulpturen stellen weltliche Fürsten dar. Ursprünglich befanden sich diese Standbilder von 1861 bis 1936 auf den Pfeilern der Rheinbrücke und wurden bei der deren Verbreiterung im Jahr 1936 abgebaut und später an den Rheinsteig umgesetzt. So sieht man die beiden kirchlichen Fürsten, den heiligen Konrad als Gründer von Konstanz mit Bibel und Kelch und Gebhard II., Bischof von Konstanz sowie zwei weitere weltliche Fürsten.
Von hier geht es nun wieder auf den bestens ausgeschilderten Bodensee-Radweg bis zum Bahnhof Reichenau. Die Wegweiser bestehen meist aus einem Radsymbol und Pfeilen direkt auf der Straße und sind an beinahe allen Kreuzungen sichtbar. Da der Radweg entlang der Bahngleise führt, kann man sich kaum verfahren.
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Am Bahnhof führt der Radweg zur Reichenau nach links. Und schon befindet man sich auf dem künstlich aufgeschütteten Inseldamm und unter der berühmten Pappel-Allee! Sie ist der südlichste Startpunkt der Deutschen Alleenstraße, die von der Ostsee – Rügen – bis zum Bodensee führt. Es ist eine rund 2900 km lange Fernstraße, die überwiegend über Alleen verläuft.
Das Wollmatinger Ried entlang des Damms zur Insel Reichenau ist mit rund 800 ha das größte Naturschutzgebiet am deutschen Bodenseeufer. Schon 1930 wurde ein Teil des Rieds unter Schutz gestellt. Das Wollmatinger Ried besteht heute je zu einem Drittel aus Flachwasser, Schilfgürtel und Riedwiesen. Hier fühlen sich Kolbenente, Rohrsänger und Schwertlilien zu Hause. Regelmäßig werden Tier- und Pflanzenbestände des Naturschutzgebietes von der NABU erfasst.
Am Eingang zur Insel Reichenau passieren wir die Statue des Heiligen Pirmin. Er zählt zu den Wandermönchen und Glaubensbote, die den christlichen Glauben verkündeten und kirchliches Leben neu organisierten. Kennzeichnend für sein Wirken war die Gründung von Klöstern, denen er die Ordensregel des heiligen Benedikt von Nursia gab. So gründete er im Jahr 724 auch das Kloster Reichenau.
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Nun befinden wir uns auf der Insel Reichenau, der größten Insel im Bodensee. Ab hier folgen wir dem Reichenauer Radrundweg bis Oberzell. Hier steht die kath. Pfarrkirche St. Georg.
Die Ende des 9. Jahrhunderts gebaute Basilika beherbergt in ihrer unterirdischen Krypta ein Schädelstück des Heiligen Georg. Die Kirche ist seit dem Hochmittelalter nahezu im Original erhalten. Restauriert wurde sie von 1982-89.
Auf der Seestraße kommen wir an unserem ersten Wegekreuz vorbei. Es steht eingebettet in einer Landschaft aus üppigem Grün. Das Kreuz selber ist immer in Stein gehauen, der Corpus Christi aus Metall.
Da auf der Insel Reichenau alles eben ist, sieht man schon vom Weitem die weitläufige und wuchtige Klosteranlage mit dem Münster Sankt Maria und Markus. Die ehemalige Benediktiner-Klosterkirche im Ortsteil Mittelzell ist die größte der drei romanischen Kirchen der Insel. Die heutige katholische Pfarrkirche war die Abteikirche des Klosters Reichenau und Glaubens- und Wallfahrtsstätte seit 724. Bis heute präsentiert das Münster den Reichtum und Weltruhm der Reichenauer Abtei, die bis ins 11. Jahrhundert hinein als eines der geistigen Zentren des Abendlandes galt. Das Kloster wurde 1757 aufgelöst. Die Konventsgebäude dienen heute als Pfarrhaus und Sitz der Gemeindeverwaltung. Im dazugehörigen weitläufigen Keller keltert der Winzerverein den Reichenauer Wein.
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Vom einstigen Reichtum der Reichenauer Abtei sind nur Teile erhalten. Zahlreiche kostbare Handschriften, liturgische Gefäße und Gewänder gelangten nach dem Ende des Klosters im 18. Jahrhundert in andere Kirchen und Sammlungen. Dennoch ist die Ausstattung des Münsters mit Statuen, Grabplatten, Wand- und Ölgemälden aus Gotik und Barock bemerkenswert.
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Uns fallen beim Betreten der Kirche sofort das barocke verschlossene Chorgitter und dahinter der rote Heilig-Blut-Altar ins Auge. In diesem befindet sich die Heilig-Blut-Reliquie, welche blutgetränkte Splitter vom Heiligen Kreuz enthält. Dieses kann nur während der Schatzkammer-Öffnungszeiten besichtigt werden.
Ein Standbild erinnert an den Heiligen Pirmin, der als Wanderbischof vor 1300 Jahren das bedeutende Benediktiner-Kloster geründet hat.
Der westliche Teil der Kirche ist dem Evangelisten Markus geweiht, dessen Gebeine in der Schatzkammer aufbewahrt werden und zu den Feiertagen bei der Prozession präsentiert werden. Eine Markusstatue steht auf dem Vorplatz des Münsters.
In einer Seitenwand des Vorchores, in einer ausgemalten Nische steht eine lebensgroße, aus Sandstein gemeißelte Muttergottes. Auf dem linken Arm trägt sie das Jesuskind und in der anderen Hand das goldene Zepter. Ein unbekannter Künstler hat die Madonna aus einem Sandsteinblock geformt. Entstanden ist sie wohl im 14. Jahrhundert. Die Klosterinsel Reichenau gehört mitsamt der Kirche seit 2000 zum Weltkulturerbe der UNESCO.
Was wäre eine Insel ohne Yachthafen. Der Yachthafen Herrenbrücke im Norden der Insel liegt idyllisch in einer Bucht, vor den Kulissen des Münsters St. Maria und Markus in Reichenau-Mittelzell. Das Restaurant Seeräuber mit seinem sehr schönen Ambiente und großer Terrasse direkt am Seeufer lud uns zu einer Mittagspause ein.
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Die Reichenau ist auch als Gemüseinsel bekannt und so liegen viele Gemüsefelder und Gewächshäuser an unserem weiteren Radweg. In den letzten Jahrzehnten wurden große Anstrengungen zur Weiterentwicklung des Gemüsebaus unternommen. Es gibt ein Beregnungsnetz für die Felder und der Ausbau der Gewächshausflächen wurde vorangetrieben. Alle diese Maßnahmen ermöglichen heute trotz der verhältnismäßig kleinen Anbaufläche eine jährliche Produktion von rund 14.000 Tonnen Frischgemüse.
Die Kirche St. Peter und Paul in Niederzell liegt am ruhigen westlichen Ende der Insel Reichenau. Sie ist die zweitälteste Kirche auf der Reichenau. Die katholische Pfarrkirche wurde im Jahr 799 geweiht und ist damit die dritte romanische Kirche auf der Insel. Die hervorstehenden zwei Türme erheben sich auf der Ostseite und bilden mit den blühenden Sträuchern ein schönes Fotomotiv.
Der Exilsitz des Veroneser Bischofs Egino war schon zu Beginn mit reichen Malereien ausgestattet. Die heute noch sichtbare Malerei in der Apsis stammt aus den Jahren 1104-1105 und birgt im Chor mit dem Wandbild des thronenden Christus und den Aposteln und Propheten den letzten Höhepunkt der Reichenauer Malschule.
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Der Kirchenraum ist von den romanischen Säulen geprägt, welche das Mittelschiff von den Seitenschiffen abgrenzen. Zwischen 1750/60 erhielt die Kirche eine umfassende Neugestaltung im Rokoko-Stil.
Die historische Orgel stammt aus dem Jahr 1783. Sie besitzt 11 Register und wurde 2018 restauriert.
Bischof Egino konnte sich an seiner großartigen Kirche allerdings nur wenige Jahre erfreuen, er starb am 27. Februar 802 und wurde an dem von ihm dafür vorgesehenen Platz neben dem Hauptaltar seiner Kirche begraben.
Das Schloss Windegg steht an der äußersten Landspitze der Insel. Die Namensgebung zielt auf die Lage an der nordwestlichen Spitze der Insel ab, das Gebäude mit den Staffelgiebeln ist dort dem Wind ausgesetzt.
Es wurde im 14. Jahrhundert als klösterliches Gästehaus erbaut und im 17. Jahrhundert zeitgemäß umgebaut. Das als Kulturdenkmal geschützte Gebäude ist heute Freizeit- und Tagungshotel.
Nachdem wir die drei romanischen Kirchen besucht haben, ist unser weiterer Weg meist gesäumt von Gemüsefeldern und Gewächshäusern. Doch ein Wegekreuz, direkt vor einem Gewächshaus bekommt unsere Aufmerksamkeit. Gestiftet von einem bereits 1950 verstorbenen Ehepaar. Auch bei diesem Bildstock steht das Kruzifix auf mehreren Sockeln. Doch anders wie bei den meisten Kreuzen enden die Kreuzarme in einer Kleeblattform. Über der Jahreszahl 1898 wurde statt eines Bibelverses ein Gebet eingraviert.
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Die Reichenau ist für ihren Gemüseanbau auf großen Freiflächen bekannt. 2021 wurden rund 1,4 Millionen Kopfsalate von der Reichenau verkauft. Auch exotisches Gemüse wird hier angebaut, so z.B. Auberginen, Süßkartoffeln und Ingwer. Die Insel ist das südlichste Gemüseanbaugebiet Deutschlands. Durch das milde Klima des Bodensees und die vielen Gewächshäuser gedeihen landwirtschaftliche Produkte rund ums Jahr.
In den etwa 500 hochmodernen Gewächshäusern werden Tomaten, Gurken und Paprika gezogen. Die Gärtnerinnen und Gärtner haben im Jahr 2022 auf ihren Feldern und in den Gewächshäusern rund 14.800 Tonnen Salate, Tomaten, Paprika und anderes Gemüse geerntet, gut die Hälfte davon in Bio-Qualität. Damit hat sich die Insel Reichenau den Spitznamen „Gemüseinsel“ redlich verdient.
Unsere Rundtour um die Insel Reichenau führt uns ohne spürbare Steigungen zu unserem nächsten Stopp an der Südseite der Insel. Hier liegt der Schiffanleger Reichenau, ein eher kleiner und ruhiger Anleger, mit einer Station der Wasserschutzpolizei. Schiffe von Konstanz nach Stein am Rhein machen hier einen Zwischenstopp. Hier liegt aber auch die Solarfähre. Sie pendelt im 45-Minutentakt zwischen der Insel Reichenau und dem Ort Mannenbach in der Schweiz. Mit ihr kann man lautlos über den See gleiten und die Energie der Sonne tanken.
Wir stellen unsere Fahrräder ab und setzen uns auf eine der Bänke nahe der Mauer, die zum Anleger führt. Ein schöner Platz um das rege Treiben rund um den Anleger zuzuschauen und dabei ein Eis von der nahegelegenen Eisdiele schlemmen.
Die Rundtour um die Insel bietet immer wieder interessante Gebäude. Das Schloss Königsegg liegt in der Nähe der Schiffsanlegestelle und ist dreiseitig von einer Parkanlage umgeben. Das dreigeschossige Schlossgebäude wird an jeder Gebäudeecke von einem viergeschossigen Turm flankiert. Durch die erhöhten Rundtürme erhält das Schloss einen wehrhaften Burgcharakter. Das Schloss aus dem 17. Jahrhundert erfuhr besonders im 19. und 20. Jahrhundert durch den Umbau zu privaten Wohnzwecken und später zum Hotel große Veränderungen, sodass nur wenig historischer Bestand vorhanden ist. Das Gebäude ist heute eine Schule für Logopädie.
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Gegen Ende der Tour erreichen wir den höchsten Punkt der Insel Reichenau. Die Hochwart ist ein Aussichtspunkt 40 Meter über dem Seespiegel. Auf diesem beliebten Aussichtspunkt inmitten der Reben steht seit 1833 das rechteckige Teehäuschen, welches heute als Keramikatelier und Galerie für Kunsthandwerk dient. Rund um die Hochwart wird seit dem 9. Jahrhundert der Reichenauer Inselwein angebaut. Heute umfassen die Rebanlagen, deren Trauben im Winzerkeller beim Münster St. Maria und Markus verarbeitet werden, rund 18 Hektar.
Nach einem schönen und abwechslungsreichen Tag geht es nun zurück zum Inseldamm und auf gleicher Strecke wieder zurück nach Hagnau.
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