Hagnau
Schon 23 Jahre liegt der letzte Urlaub in diesem Bodenseeort zurück. Ganz nach dem Wilhelm Busch Zitat: Einszweidrei, im Sauseschritt, läuft die Zeit, wir laufen mit. Mit einem Spaziergang durch Hagnau wollen wir die Erinnerungen an diese Zeit wieder auffrischen und schauen, was sich in all den Jahren verändert hat. Unter der Freude mischt sich auch eine leise Melancholie. Wo war all die Zeit dazwischen geblieben?
Von unserer Ferienwohnung gehen wir einmal quer durch das Neubaugebiet, bewundern ein im Blumenbeet dekoriertes Fahrrad und gehen vorbei an unserer damaligen Ferienwohnung, bis wir unten am Anleger stehen.
Der 100 m lange Steg ist der Anleger für die Ausflugsschiffe der weißen Flotte. Hier kommen im Sommer viele Gäste an und erhalten ihren ersten Eindruck von Hagnau. Erbaut wurde die Landebrücke 1874. 1999 ging der Steg bei einem Föhnsturm mit Hochwasser zu Bruch und wurde daraufhin neu erbaut.
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Zahlreiche Bänke laden neben dem Kassenhäuschen für den Ticketverkauf zum Verweilen ein. Am Abend kann man den Sonnenuntergang beobachten oder das Wellenspiel an den alten Pfählen des früheren Stegs, die heute als Wellenbrecher dienen. 1963 ereignete sich am Bodensee ein Naturschauspiel, das bis heute viele Menschen begeistert. Der See fror komplett mit einer so dicken Eisschicht zu, dass er trockenen Fußes überquert werden konnte. Mutige Hagnauer waren die Ersten, die damals den See überquerten. Festlich wurden sie in der Schweiz in Empfang genommen. Als Andenken an diese Männer wurde ein Findling, mit ihren Namen versehen, im Uferpark von Hagnau aufgestellt. Seit dem 50-jährigen Jubiläum der Seegfrörne 2013 erinnern zwei Eisläufer Skulpturen an der Schiffslandestelle an das Spektakel des zugefrorenen Sees. Eigens zur Ausstellung „Skulpturen am See“ hat der Künstler Jürgen Knubben, als Herzstück, die Skulptur „Seegfrörne 2018“ entworfen und gebaut.
Ein stählerner Schiffsrumpf ragt aufrecht aus dem See nahe der Hagnauer Schiffsanlegestelle und ist schon ein Hingucker.
Die Partnerfigur dazu steht auf der Schweizer Seeseite in Altnau. So wie der zugefrorene See Hagnau und Altnau damals verbunden hat, stehen die beiden Skulpturen für diese Verbindung.
Die Hagnauer Uferpromenade führt sehr schön direkt am Ufer des Bodensees entlang. Nur ein relativ kurzes Stück verläuft durch die Seestraße mit verschiedenen Geschäften. Bei unserem Bummel durch die Fußgängerzone begleitet uns eine Schwanenfamilie mit ihren Jungen bis zur Eisdiele. Ob sie wohl ein Eis zum Nachtisch haben möchten? Nach dem Slogan: „Schöne Momente genießen – mit „Kibele Eis“.
Unser Spaziergang auf der Seestraße führt uns vorbei am Urban Brunnen. Der heilige Urban ist Schutzpatron der Winzer und Küfer sowie der Weinberge und des Weins.
Weiter führt der Weg in den Uferpark. Hier fällt das langgestreckte, stattliche Gebäude auf, das in der Nähe des Sees am östlichen Ende des Unterdorfes liegt. Es ist, wie die Hagnauer sagen, der „Hof“, der ehemalige Klosterhof Weingarten.
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Erbaut 1700-1714 enthält das Gebäude u.a. zwei lange gewölbte Keller, zwei Säle mit prachtvollen Rokokostuckdecken und einen geräumigen Speicher. Im Obergeschoss ist heute das Rathaus, im Erdgeschoss befinden sich das Hagnauer Museum und Vereinsräume. Der Uferpark unterhalb des Rathauses ist mit südlicher Flora angelegt. Die Gärtner haben in den letzten Tagen ein Meer aus farbenfrohen Sommerblumen gekonnt in Szene gesetzt. Jedes einzelne Beet vermittelt eine andere Stimmung mit vielen Farben und unzähligen Pflanzideen.
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Parkbänke entlang des Bodenseeufers bieten ein Logenplätzchen mit Aussicht für unsere Verschnaufpause. Am See gibt es einen kleinen Hafen mit neugierigen Enten ohne jede Scheu. Eine reckte ihren Hals so lang und wäre mir am lieben auf den Schoß gesprungen, als ich sie mit einer Brotscheibe fütterte.
Wer sich sportlich betätigen will, kann sein Glück auf der Minigolfanlage versuchen. Der Kiosk mit gemütlichen Sitzgelegenheiten lädt ebenfalls zum Verweilen ein, Getränke, kleine Snacks, Kaffee und Kuchen sowie Eis werden angeboten. Und sollten alle Sitzplätze besetzt sein, kann man sich auch auf den Parkbänken des Uferparks vom Kiosk mit einem leckeren Weißwein versorgen.
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So wie wir haben sich viele von dort ihre Getränke geholt oder Essen und Trinken im Rucksack mitgebracht, denn Selfservice ist für den ganzen Park erlaubt. Wer will an lauen Frühlingsabenden noch im Restaurant oder Ferienwohnung sitzen, wenn es im Park am Bodensee viel schöner ist. Am Rande des Uferparks, geschützt unter einem Dach, liegt einer der letzten erhaltenen Spindeltorkel aus dem Jahr 1747.
Diese Weinpresse, bzw. Torkel ist der letzte von 26 Torkel, die früher in Hagnau standen und betrieben wurden. Mit diesem Torkel wurden 1956 das letzte Mal Trauben gepresst.
Die historische Presse wurde gestiftet und im Jahre 1976 vom Winzerverein Hagnau aufgestellt.
Haben wir die Traubenpresse bereits vor 23 Jahren besichtigt, sind wir auch heute wieder beeindruckt und fasziniert, so eine gigantische historische Presse mit seinen schweren Eichenbalken komplett erhalten zu sehen und stellen uns vor, wie die Trauben damals gequetscht wurden. Direkt neben der Traubenpresse stehen drei Bäume für die Einheit Deutschlands. 1990 wurden die beiden deutschen Staaten wiedervereinigt. - Symbolisch für den Westen steht die Buche, für den Osten die Kiefer und für das wiedervereinigte Deutschland die Eiche -.
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Die Idee des SDW-Mitgliedes Werner Erhardt ein Einheitsdenkmal aus drei Bäumen zu pflanzen, die mit der Zeit zusammenwachsen, wurde im Rahmen des Bürgerdialogs der Bundeskanzlerin Frau Dr. Angela Merkel vorgestellt. Sie wurde in die Liste der besten Vorschläge aufgenommen und gemeinsam mit der SDW umgesetzt. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat die Schirmherrschaft übernommen. Seitdem unterstützt die Schutzgemeinschaft Deutscher Wald, das Pflanzen wachsender Gedenkorte aus drei Bäumen als Erinnerung an dieses wichtige friedliche Ereignis. Über 305 Städte und Kommunen haben bereits mitgemacht. Die Idee lebt weiter und immer mehr Kommunen pflanzen ein Denkmal für die Wiedervereinigung.
Am Rande des Uferparks haben Hagnauer Bürger den Schwalben seit 2017 eine Heimat geboten. Schwalben haben seit Jahren immer mehr Schwierigkeiten, geeignete Brutplätze zu finden und stehen auf der Liste der gefährdeten Tierarten.
Um das Aufkommen dieser Vogelart wieder aufleben zu lassen, sollen nun die Vögel mit dem ersten Schwalbenhaus im westlichen Bodenseekreis einen Brutplatz finden.
Im Hof vor dem Rathausgebäude treffen wir auf die lebensgroße Statue von Dr. Heinrich Hansjakob. Er war Volksschriftsteller, Politiker und von 1869 bis 1884 kath. Pfarrer in Hagnau. In diesen Jahren wurde er für Hagnau zur überragenden Volksfigur. 1881 gründete er die erste badische Winzergenossenschaft. Bereits 1916 wurde ihm zu Ehren ein Gedenkstein im Uferpark gesetzt und 1984 diese Statue.
Gegenüber steht seit 2001 das moderne Gwandhaus. Seinen Namen trägt es aufgrund des Flurstücks, welches an den Ortskern anwandet und deshalb Gwand genannt wird. Das Haus beherbergt die Grundschule, den Kindergarten und eine Mehrzweckhalle.
Von hier gegen wir zur katholischen Kirche St. Johann Baptist, deren Baujahr auf das 13. Jahrhundert datiert wird.
Haben wir diese Kirche mit seinem Wahrzeichen von Hagnau, seinem wuchtigen, 48 m hohen, nicht verputzten Turm, bereits am Anreisetag von einem Aussichtspunkt oberhalb der Weinberge betrachtet, wollen wir uns heute auch das Innere der Kirche ansehen. Die Pfarrkirche St. Johann Baptist in Hagnau verfügt über ein beeindruckendes, siebenstimmiges Geläut mit Glocken aus 4 verschiedenen Jahrhunderten. Die beiden ältesten Glocken stammen von 1400 und 1780. Die kath. Kirche ist ein spätgotischer Kirchenbau, wovon heute jedoch nur noch der von Weitem sichtbare Chorseitenturm und vier Maßwerkfenster erhalten sind.
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Die dem Täufer Johannes gewidmete Kirche ist erstaunlich imposant für den kleinen Ort. Die Bemalung der Decke und des Chorbogens ist aus den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts. Seit dem 16. Jahrhundert ist die Kirche eine Pfarrkirche und gehört heute zur Seelsorgeeinheit Immenstaad". Hinter der Kirche befindet sich ein gepflegter Kirchhof, in dem sich eine Kapelle mit der Statue des Heiligen Wendelin (Schutzpatron der Bauern, Hirten und Herden) befindet. Er ist der bekannteste Heilige aus dem heutigen Saarland. Historisch gesichert ist, dass er im 6. Jahrhundert aus dem irisch-schottischen Raum in die Gegend des heutigen Landkreises St. Wendel eingewandert ist und dort das Christentum bezeugt hat.
Desweiteren befindet sich in dem Garten eine Nachbildung der Lourdesgrotte, wie es im 19. Jahrhundert Mode war. (Als Lourdesgrotte werden Mariengrotten bezeichnet, die Nachbildungen der Grotte von Massabiele bei Lourdes darstellen. In dieser Grotte sah 1858 die heilige Bernadette nach eigenen Angaben die Muttergottes. An der Stelle der Marienerscheinungen ziert eine Madonnenfigur die Grotte.
Da Hagnau ein bekanntes und geschätztes Weinanbaugebiet ist, hat die Grundschule in Zusammenarbeit mit dem Winzerverein Hagnau das Projekt „Die Weinrebe im Jahresverlauf“ gestartet. Das ganze Jahr über begleiten die Schüler den Winzer bei der Arbeit im Weinberg, beobachten die Entwicklung ihrer Patenrebe vom Pflanzen über den Austrieb bis hin zur Ernte der Trauben. So durften sie auch selbst einige Aufgaben übernehmen und ernteten zusammen mit Winzern des Hagnauer Winzerverein im vergangenen Jahr die Spätburgundertrauben. Nach einer kleinen Pause auf einer Bank im Kirchengarten setzen wir unseren Rundweg durch den Ortskern fort und kommen zur Schneeballensäule. Diese Skulptur aus Metall steht auf einem Steinsockel in der Dorfmitte. Sie ist zusammengesetzt aus kleinen Figuren und wurde vom Bildhauer Gerold Jäggle geschaffen. Dargestellt sind Szenen, die Hansjakob in seinem Buch „Schneeballen vom Bodensee“ über Hagnau festgehalten hat. Die Spitze der Skulptur ist Hansjakob und seinem Sakristan gewidmet. In den Ebenen darunter werden Bewohner, Trachten, Bauten und Plätze, Fischer und die Eisprozession bei der Seegfrörne dargestellt. So entstand ein Bilderbogen Hagnauer Geschichte.
Der Eulenbrunnen befindet sich nur einige Meter südlich von der Schneeballsäule in Richtung Bodensee. Der Narrenverein „Eule Hagnau 1912 e.V. hat in der Fritz-Zimmermann Straße vor einigen Jahren mit dem Eulenbrunnen einen schönen Brunnen errichten lassen. Bereits vor der Gründung des Narrenvereins war die Fasnet in Hagnau ein wesentlicher Bestandteil im Dorf. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden vielerorts Narrenvereine gegründet. So wurden auch in Hagnau die interessierten Bürger aufgerufen sich zu treffen, um einen Narrenverein zu gründen. Die Gründungsversammlung fand am 14. Januar 1912 statt.
Der Rundgang endet vor dem Restaurant Keltenschenke, einem historischen Gasthaus mit tollem Ambiente. Das direkt im historischen Weindorf Hagnau gelegene Traditionslokal bietet leckere und variationsreiche Gerichte und so konnten wir zum Ende des Spaziergangs bei tollem Essen und leckerem Wein einfach nur die Seele baumeln lassen.
Auf dem Rückweg zu unserer Ferienwohnung kommen wir noch an 2 Lenk Statuen vorbei. Skandal-Bildhauer hat man den 1947 geborenen Peter Lenk schon genannt. Er kam über Umwege an den Bodensee. Dort entstanden mithilfe seiner Frau Bettina seine genehmigten und ungenehmigten Skulpturen. Seine Objekte sind heute Touristenattraktionen am Bodensee. In 25 Städten und Gemeinden stehen heute die Skulpturen des Satire-Bildhauers Peter Lenk.
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