Ein Tag im Freilichtmuseum Detmold
Weite Teile Ostwestfalens sind immer noch bäuerlich geprägt. Einen Einblick in die traditionellen ländlichen Wohn- und Wirtschaftsformen der Region von etwa 1500 bis heute gibt ein Besuch im Detmolder Freilichtmuseum. Genau 50 Jahre ist es her, dass dieses Museum erstmals seine Tore öffnete. Vor 26 Jahren sind wir zum ersten Mal in das ländliche Leben unserer Ur-Ur-Urgroßeltern eingetaucht. Bei unserem heutigen Besuch wollen wir uns ansehen, was sich in den Jahren verändert bzw. noch hinzugekommen ist. Das größte deutsche Freilichtmuseum zeigt uns heute auf mehr als 90 Hektar inmitten von Feldern, Wiesen und Weiden 11 Kulturlandschaften und rund 120 Fachwerkgebäude mit historischen Einrichtungen aus 500 Jahren westfälischer Alltagskultur. Das Museum hat bis heute rund 300.000 Objekte zur Geschichte der Menschen (Alltagsgegenstände) gesammelt und die Gebäude wurden mit großem Aufwand nach Detmold versetzt.
Vom kostenlosen Parkplatz kommend und nach dem Kauf der Eintrittskarte starten wir zu unserer Exkursion. Den Pferdewagen, der die Besucher vom Eingang bis hinauf zum Paderborner Dorf bringt, wollten wir nicht benutzen, sondern in aller Ruhe bei einem Bummel die einzelnen Gehöfte besichtigen. Unsere erste ausgiebige Besichtigung starten wir auf dem Gräftenhof. Den Münsterländer Gräftenhof haben wir bereits 1995 einen Besuch abgestattet, denn er gehört zu den ersten historischen Häusern in diesem Freilichtmuseum. Im heutigen Münsterland findet man noch immer Einzelhofsiedlungen, unter denen die Gräftenhöfe einen speziellen Typ darstellen. Es sind Hofsiedlungen, die von einem Wassergraben umgeben sind.
Dieser hier wieder aufgebaute Münsterländer Gräftenhof ist ungefähr von 1787 und stand bis 1967 in der Albersloher Bauernschaft Alst. Die Hofanlage besteht aus 6 Gebäuden, mit Backhaus und Speicher und Gräftenhofgarten.
In diesem Freilichtmuseum werden neben den historischen Häusern auch Bauerngärten rekonstruiert. Der Garten zu diesem Gräftenhof liegt auf einer Insel und zeigt den Zustand um 1800. Hervorzuheben sind eine Sonnenuhr im Zentrum des Gartens und eine Laube aus Hainbuchen.
Seit diesem Jahr erstrahlt der Hof in neuer Farbe und das Haupthaus des größten Hofes im Freilichtmuseum wurde nach aktuellen wissenschaftlichen Untersuchungen umgestaltet. Durch seinen romantischen Wassergraben zählt der Gräftenhof zu den beliebtesten Gebäuden.
Weiter geht es in Richtung Armenhaus. Aus der Ferne erkennen wir es schon an seinem ziegelrot leuchtenden Fachwerk.
Das Haus stammt aus Rinkerode und wurde dort um 1824 erbaut und stand ausschließlich für Witwen und ledige Frauen zur Verfügung die ihren Lebensunterhalt nicht mehr allein verdienen konnten.
Die Aufnahme in das Armenhaus soll aber nicht für jede Frau möglich gewesen sein. So bestand die Stiftungsordnung auf ihre erstellten Kriterien zur Aufnahme und Lebensführung im Hause, die sehr streng waren: Zwar erhielten die Frauen zusätzlich zum Wohnrecht finanzielle Unterstützung, aber regelmäßige Kirchgänge und Gebete mehrfach täglich waren Pflicht.
Die nächste Hofanlage, die wir besichtigen, wurde 1983 hier aufgebaut. Es ist der 1793 gebaute Westhellweg Hof mit Haupthaus, Torscheune und Speicher. Die Torscheune bildet hier eine repräsentative Hofeinfahrt. Der linke Gebäudeteil diente als Pferdestall mit Speicher und Futterboden darüber, der rechte Teil als Scheune für Getreide und Heu. Diese Hofanlage stand früher in Dortmund-Brackel, einem Ortsteil im Dortmunder Osten. Zu dieser Hofanlage gehören auch ein 1846 erbautes Spritzenhaus, eine Schule aus dem Jahr 1837 und ein Bienenhaus.
Nicht nur die historischen Häuser wurden hier wieder aufgebaut, auch die Einrichtung ist originalgetreu. Dadurch bekommt man einen authentischen Eindruck, wie die Menschen früher gelebt und gearbeitet haben.
Nun bummeln wir ein ganzes Stück über einen schattigen Weg, der links und rechts mit alten Apfelbäumen gesäumt ist. Schon vom Weiten sehen wir die Kappenwindmühle, auch Holländermühle genannt. Sie besteht aus einem festen Turm und einer drehbaren Kappe, mit der die Flügel in den Wind gedreht werden können. Seit 1978 steht sie hier im Museum. Ursprünglich stand sie im Ort Tonnenheide, Kreis Minden-Lübbecke.
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Wunderschön in der Natur eingebettet steht das höchste Gebäude im LWL-Freilichtmuseum Detmold. Der rund 14 Meter hohe Aussichtsturm wurde im Mai 2017 am Rande des Sauerländer Dorfes eröffnet. Mit diesem historischen Turm aus Lärchen- und Eichenholz will man an die Anfänge des Tourismus erinnern.
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Nur ein paar Schritte weiter und wir haben das Sauerländer Dorf erreicht. Das erste ins Auge fallende Gebäude ist der Hof Remberg, ein Originalwohnhaus der Familie Remberg aus dem Jahr 1877. Der Hof war mit 213 Morgen (ca. 53 Hektar) der größte Hof in Fretter, einem Ortsteil der Gemeinde Finnentrop, Kreis Olpe. Das Haus wurde 2003 mit größtmöglicher Substanzerhaltung nach hier überführt und originalgetreu wieder aufgebaut. Es ist das zurzeit letzte errichtete Haus im Sauerländer Dorf. Das Wohnhaus ist ein zweistöckiges Fachwerkhaus. Es enthält einen Mittelflur, eine große Küche und mehrere Wohn- und Schlafzimmer in zwei Etagen. Um 1925 bot das Haus zeitgemäßen Wohnkomfort mit tapezierten Räumen, fließendem Wasser, elektrischen Strom und einem Telefonanschluss.
Auf dem Hof können seit 2016 Schüler- und Jugendgruppen von Anfang Mai bis Ende September in dieser eindrucksvollen Unterkunft übernachten, um an mehrtägigen Aktionen im Museum teilzunehmen.
Die kleine Ansiedlung des Sauerländer Dorfes, in dem sich sogar ein kleines Bächlein schlängelt, wurde 1997 eingeweiht. Zu dieser Dorfgemeinschaft gehören der 1623 in Flape, im Kreis Olpe erbaute Hof Sommer mit Speicher.
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Zu diesem Hof führt eine Brücke, deren Vorbild früher zum Lindenhof in Glinge führte. Rechts daneben steht das Handwerkerhaus „Pippels Häuschen“ aus dem Jahr 1768. Das Haus hat seinen Namen nach der Tischlerfamilie Pippel. Es war immer ein Wohnhaus für wohlhabende Handwerker. Von 1930 bis 1950 war dann darin die erste „Speiseeis-Halle“ in Medebach untergebracht.
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Auf einer kleinen Anhöhe steht seit 2001 die Kapellenschule, die ursprünglich aus Werthenbach stammt. Die Kapelle wurde 1737 erbaut und der Schulanbau entstand 1816. Dieser Schulanbau zeigt die enge Verzahnung von Kirche, Staat und Schule. Sie ist eine Besonderheit des Siegerlandes. Die Kapelle diente der regelmäßigen Andacht, Taufen, Hochzeiten und Beerdigungen und der Unterricht fand vermutlich in der Kapelle unter der Empore statt.
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In dem späteren Anbau des Klassenzimmers wurden bis zu 40 Kinder aus verschiedenen Altersgruppen gleichzeitig von einer fest angestellten Lehrkraft unterrichtet. Die Jüngsten saßen vorne in der ersten Bankreihe, die Älteren dahinter. Wer versetzt wurde, rückte eine Bankreihe nach hinten. Wer das „Klassenziel“ nicht erreichte, blieb halt sitzen. Bis heute haben sich aus jenen Tagen die Begriffe „Versetzung“ und „Sitzenbleiben“ erhalten! Die Schule wurde noch bis in die 50iger Jahre hinein als „Zwergschule“ betrieben.
Unterhalb der Kapellenschule, im sogenannten Siegerländer Weiler, sollen in den nächsten Jahren die 60iger Jahre des 20igsten Jahrhunderts in Form eines Siegerländer Dorfes dargestellt werden. Den Anfang macht eine im Jahr 1951 gebaute Tankstelle aus Siegen-Niederscheiden, die früher an der Siegtalstraße stand. Sie wurde im Herbst 2010 in mehrere transportable Teile zerlegt. Wieder zusammengesetzt in Detmold und restauriert wird sie nun so gezeigt, wie sie in den 1960er Jahren ausgesehen hat.
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Die „Tanke“ hat ein von drei Säulen getragenes Dach, Kassenraum, Waschhalle mit Ford 12 M und WC und die zur damaligen Zeit modernen rot-blauen Zapfsäulen. Mit den Original-Öldosen und anderen authentischen Einrichtungsgegenständen wird an die 1960er-Jahre erinnert. Zurzeit steht die Tankstelle mit einer Länge von knapp 19 Metern, einer Breite von gut 7 Metern und einer Höhe von fast 4,5 Metern etwas verloren in der welligen Landschaft, doch ein Bungalow aus den 1960er Jahren soll demnächst noch dazu kommen.
Nach diesem Abstecher in die 1960er Jahre, an die wir uns noch gut erinnern können, geht unser Spaziergang auf dem Gelände weiter an Fachwerk-Gebäuden aus dem 18. und 19. Jahrhundert vorbei.
Doch bei dem nächsten Gebäude trifft alte und neueste Technik aufeinander. Das Bruchsteingebäude, erbaut im 18. Jahrhundert, wurde als Pferdestall auf Gut Wintrop genutzt. Hier im Museum wurde das Gebäude modern ausgebaut. Es dient als Besuchertoilette und Nachtwächterstützpunkt.
Unser Spaziergang bringt uns nun ins „Paderborner Dorf“. Hier hat man den Eindruck in einer gewachsenen kleinen Ansiedlung zu stehen.
Mit dem „Haus Uhlmann“ aus Ovenhausen steht hier seit September 2007 das einzige jüdische Wohnhaus in einem deutschen Freilichtmuseum.
Das Fachwerkhaus wurde 1803-1805 von dem jüdischen Händler Bernd Soistmann erbaut, der 1808 den Namen Steilberg annahm. Nach dem Konkurs der Familie Steilberg erwarb 1885 der Kaufmann Levy Uhlmann das Haus. Das Haus ist ein einfacher Fachwerkbau mit einem Dach aus Sollingplatten. In seiner Bauweise unterscheidet es sich nicht von den Häusern vieler christlicher Einwohner. Anstelle einer befahrbaren Diele hat das Haus einen schmalen Mittelflur, der durch eine Haustür mit vorgelagerter Steintreppe betreten wird. 1931 wurde es zum letzten Mal renoviert. Damals entstand der Erker der Wohnstube und die rechte Außenwand wurde in Backstein erneuert. Es ist damit eines der letzten nahezu unverändert erhaltenen jüdischen Wohnhäuser in Westfalen.
Mit diesem Haus wird an den jüdischen Bevölkerungsanteil in westfälischen Dörfern erinnert, denn Juden waren auch in Westfalen-Lippe ein selbstverständlicher Teil der ländlichen Bevölkerung - bis zu ihrer systematischen Verschleppung und Ermordung in der Zeit des Nationalsozialismus.
Für die Einrichtung konnte das Museum 2007 die Salonmöbel der Familie Stiassny übernehmen. Das Ensemble besteht aus mehreren gepolsterten Sitzmöbeln (zwei Armlehnstühlen, einer Polsterbank, einem Hocker, zwei Sesseln) sowie einem Sekretär, einem Vitrinen-Aufsatzschrank, zwei Tischen und einem Schreibtisch.
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Bei einem Rundgang durchs Haus, wobei wir auch einen Blick in die verschiedenen Räumlichkeiten werfen können, wird auch die Geschichte des Kaufmanns Norbert Uhlmann, seiner Frau Helene und ihrer Adoptivtochter Ilse erzählt, die nur 13 Jahre alt wurde. Sie betrieben in dem Haus einen Kramladen, handelten mit Spielzeug, Haushaltswaren, vor allem aber mit dem Fleisch von Ziegen – eine dörfliche Existenz, wie sie typisch war für die Juden im ländlichen Westfalen. Die Familie wurde 1941 nach Riga deportiert und später in Auschwitz ermordet. Das Haus wurde bis zur Deportation der Familie Uhlmann im Dezember 1941 durchgängig von jüdischen Familien bewohnt. Mit 70 Gebäuden ist das Paderborner Dorf die größte Baugruppe, doch kein weiteres Haus hat solch eine besondere literaturgeschichtliche Bedeutung wir das Haus Uhlmann.
Nach Vorbildern kleiner Dorfgemeinschaften wurde das Zentrum rund um den Dorfteich gruppiert. Hier stehen die Häuser und Bauernhöfe mit Nebengebäuden zum Teil Giebel an Giebel gruppiert. Nach einem Spaziergang mit vielen neuen Eindrücken gönnen wir uns nun eine Verschnaufpause in der Museumsgaststätte „Im Weißen Ross“. Sie bietet für den großen oder kleinen Hunger regionale und saisonale Gerichte oder auch Kaffee und Kuchen. Heute war es für September sehr sonnig und heiß und nur die Häuser gaben einen kurzen Schatten, darum nehmen wir den freien Tisch mit Sonnenschirm in der Außengastronomie für eine Mittagspause dankend an.
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Dieses prächtige Fachwerkhaus Roland, erbaut 1698, stand früher am Markt der Kleinstadt Obermarsberg und war seit 1848 eine gern besuchte Gastwirtschaft. Heute ist die Lage auch nicht schlecht, und die Bestimmung bleibt die gleiche wie vor Jahrhunderten: Das ehemalige städtische Wohn- und Geschäftshaus dient heute als Teil der Museumsgaststätte. Durch einen modernen Servicetrakt ist das wieder aufgebaute Haus Roland mit dem Bauernhaus Kuhlmeier verbunden. Dieses 1559 entstandene Nebengebäude der heutigen Gaststätte gilt als eines der ältesten niederdeutschen Hallenhäuser in Ostwestfalen-Lippe.
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Gut gestärkt brechen wir nach einer ausgiebigen Pause wieder auf. Die um den Dorfteich platzierten Gebäude faszinieren uns auch heute wieder und der Duft von frischgebackenem Brot erinnern uns an ein leckeres Stück Kuchen oder an das herzhafte Brot, welches in der Bäckerei auch noch heute von Hand gebacken wird und wir damals am Teich verspeist haben. 26 Jahre nach unserem ersten Besuch ist es nun um den Dorfteich dicht begrünt und die am Wasser stehenden Fachwerkhäuser bieten ein traumhaftes Fotomotiv. All diese Gebäude haben ursprünglich wo anders gestanden und wurden hier wieder zu einem liebevollen Ensemble arrangiert.
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Wir gehen entlang der schmalen Straßen und Gassen, ohne dass ein Auto hupt oder mit seinen Bremsen kreischt. Wie still muss es früher in den kleinen Orten gewesen sein. Nur Fußgänger bummeln auf den kleinen Straßen und die Pferdekutsche, die vom Eingang bis hier zum Dorfplatz fährt, holpert über das Pflaster.
Das Paderborner Dorf zeichnet sich durch eine dichte Bebauung aus. Das Bürgerhaus Stahl aus Gütersloh ist mit dem prächtigen Dielentor ist ein Dorfjuwel. Das Haus wurde 1730 erbaut. Bereits 1748 wurde der seitliche Anbau mit Wirtschaftsdiele und Ställen hinzugefügt. Das prächtige Dielentor mit Rokoko-Schnitzwerk und Verglasung entstand um 1775. Das Haus stand früher auf einem kleinen Platz in der Nähe der Kirche und wurde von 1956 bis 1967 als Standesamt genutzt. Seit 1986 hat es hier einen ins Auge fallenden Standplatz gefunden.
Doch auch weitere liebevoll eingerichtete Bürgerhäuser geben Einblick, wie die Menschen früher gelebt und gearbeitet haben.
Diese Häuser, die den Zustand um 1900 zeigen, wurden schon mit steiler geneigten Dächern gebaut und viele davon waren schon zweigeschossig. Die Arbeit auf dem Hof war je nach Hofgröße und Art des landwirtschaftlichen Betriebes umfangreicher und bedurfte zum Teil vieler Hilfskräfte.
Bei der Besichtigung einer dieser Häuser stehen wir in einer großen Fachwerkscheune, in denen Vieh einschließlich Pferde, sowie Ausrüstung und Futter untergebracht sind. Darüber hinaus dient die Scheune zur Lagerung von Geräten.
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Einen weiteren Blick werfen wir in die Wohnräume, die mit originalgetreuer Einrichtung ausgestattet sind.
So wurde in einem etwas erhöhten Bett auf einem Lattenrost mit Matratze geschlafen. Beliebt waren dicke und warme Daunenbettdecken, die vor einem zu großen Wärmeverlust schützen sollten.
Auch der Nachttopf fehlte unter keinem Bett, denn die Menschen hätten sonst des Nachts nach dem außerhalb des Hauses stehenden Aborthäuschen gemusst.
Dass es noch kein Klosett im Inneren des Hauses gab, ist im 19. Jahrhundert keine Überraschung.
Das Paderborner Dorf besteht nicht nur aus Gebäuden und kleinen Straßen. Rund um die einzelnen Gehöfte wurde auch eine Vielzahl an Gärten angelegt. Diese ländlichen Gärten dienten damals vor allem der Selbstversorgung. Hier finden wir noch eine große Auswahl an Gemüse- und Obstsorten, Gewürz- und Zierpflanzen sowie Heilkräutern.
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Ein harmonisch in die Umgebung eingefügter Garten gehört zum Valepagenhof.
Dieser früher in Delbrück stehende ländliche Adelssitz wurde 1577 von dem Adligen Jost Valepage erbaut. Es gilt als eines der schönsten Fachwerkhäuser Norddeutschlands.
Uns interessiert in diesem Fall aber mehr der geschickt arrangierte Garten. Ein Meer aus Blumen wächst farbenfroh und üppig zwischen dem Gemüse- und Obstgarten und jedes einzelne prachtvolle Exemplar kommt hier zur Geltung.
Angetan von der kleinen Bank im Vorgarten gönnen wir uns eine kleine Verschnaufpause.
Der Bau der Bürgerhäuser ist eng verbunden mit dem jeweiligen Aufstieg der Städte.
Das große, repräsentative Bürgerhaus Schwenger wurde vom Kaufmann und Bürgermeister Daniel Schwender 1708 erbaut. Ursprünglich hatte das Haus eine befahrbare Diele mit Toreinfahrt. Um 1770 wurde das Gebäude umgebaut. Es erhielt eine neue Haustür mit Oberlicht, eine Schrankwand in der beheizten guten Stube rechts und eine neue Treppe auf der Diele.
Auf der linken Seite der Diele befindet sich der historische Laden für Manufaktur- und Kolonialwaren von Carl Samson.
Es war schon interessant zu sehen, was solch ein Krämerladen aus vergangener Zeit so alles im Angebot hatte. Nichts fehlte, selbst die Waage mit kleinen und großen Gewichten war Bestandteil dieses Ladens.
Die Einrichtung im kleinen Krämerladen sowie in der guten Stube ist anschaulich und originalgetreu gestaltet. Man hat das Gefühl die Bewohner sind nur gerade nicht mit im Raum. Das Haus Schwenger mit all seinen Details steht seit 2010 hier im Museum.
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Aus dem Schornstein der Werkstatt des Dorfschmieds qualmte es auch heute wieder, denn das glühende Kohlenfeuer war wieder angefacht.
Damit brachte der Schmidt das Eisen zum Glühen und mit Hammerschlägen wurden daraus Nägel geschmiedet.
Bei unserem letzten Besuch hatten wir das Glück und konnten dem Schmied beim Beschlagen der Museumspferde über die Schulter schauen.
Heute erklärte er uns gerne, dass in dieser Schmiede noch sämtliche Nägel für den Eigenbedarf und für die Bauerhaltung der historischen Gebäude produziert werden. Das Beschlagen der Kutschpferde hier vor dieser Schmiede ist leider nicht mehr erlaubt.
Von der Schmiede aus können wir schon die Bockwindmühle sehen. Sie stammt aus Groß Lobke, Landkreis Hildesheim und wurde 1812 als Privatmühle erbaut. Hier im Freilichtmuseum steht sie seit 1981 und war auch schon bei unserem ersten Besuch ein Foto wert. Bei einer Bockwindmühle ruht das gesamte Mühlengehäuse drehbar auf einem feststehenden „Bock“. Mithilfe des langen rückwärtigen Balkens kann die Mühle in den Wind gedreht werden. Wegen des beengten Innenraums enthält die Mühle nur einen Mahlgang. Die hier aufgebaute Mühle ist voll funktionsfähig und zu Demonstrationszwecken regelmäßig in Betrieb.
Etwas später erreichen wir die 1984 hier aufgestellte Wegekapelle. Sie stammt aus Westerwiehe (Rietberg, Kreis Gütersloh), wo sie 1697 erbaut wurde.
In den katholischen Gebieten Westfalens stehen noch heute viele Bildstöcke, Heiligenfiguren und Kapellen an Straßen und Wegen.
Als Ausdruck der Volksfrömmigkeit wurden sie vielfach von Bauern errichtet. Diese kleine Kapelle stand an einem Weg in Hofnähe. In die eiserne Sammelbüchse an der Tür konnten Vorbeigehende eine Spende für Arme und Kranke einwerfen.
Im Innern befindet sich als Andachtsbild eine Pieta (Darstellung Mariens mit dem Leichnam Jesus).
Entlang grüner Wiesen und einer Obstbaumallee mit den längst vergessenen Obstsorten wie „Rote Sternrenette“ oder „Weißer Klarapfel“, führt uns der Weg zum Lippischen Meierhof. Der aus mehreren Gebäuden bestehende Hof liegt im Teichgrund des Museumsgeländes. Der 1570 erbaute Hof besteht aus Haupthaus mit Speicher, Scheune, Altenteil, Backhaus, Bienenhaus und Stallspeicher.
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Diese Gebäudegruppe wurde 1973 hier wieder aufgebaut und in der für Lippe typischen Art mit weiß gekalktem Gefache gestaltet. Das Haupthaus besteht aus einer Diele mit seitlichen Ställen und offenen Herdraum am Ende.
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1706 wurden die Wohnteile mit einer heizbaren Stube und zwei Schlafkammern am hinteren Hausende angebaut. Zu der Häusergruppe gehört auch das Gebäude des „Altenteils“. Hier lebten die Eltern des Bauern, wenn sie den Hof nach der Heirat des Kindes übergeben hatten. Sie erhielten ein Stück Garten und ein Stück Ackerland und etwas Vieh zur Altersvorsorge. Der Bauer half ihnen bei der Bewirtschaftung und sorgte für sie, wenn sie pflegebedürftig wurden. Zu einer großen Gebäudegruppe gehört auch ein Backhaus. Hier steht es neben dem Stall, damit die Tiere von der Wärme profitieren konnten, denn die Wärme war für die Ferkelaufzucht günstig.
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Wie schon bei anderen Gebäuden im Museum wurde auch hier ein zeitgenössischer Garten rekonstruiert. Er diente vor allem der Selbstversorgung. In ihm stehen die verschiedenen Kohlarten sowie Ringelblumen und Schwertlilien. Schneeweiße Lippegänse lassen es sich an einem Weiher der weitläufigen Hofanlage gut gehen, und als wir uns nähern, werden wir mit aufgeregtem Geschnatter empfangen. Im gesamten Freilichtmuseum leben ungefähr 100 Tiere. Einige Tier-Arten gibt es heute nur noch selten.
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Anschließend geht es zum Mindener Hof. Umgeben von herrlicher Natur steht diese Hofanlage aus dem Jahre 1673 mit Haupt- und fünf Nebengebäuden.
Auch dieser Hof gehört zu den ersten historischen Gebäuden, die seit der Eröffnung am 7. Juli 1971 besichtigt werden können. Gäbe es dieses Museum nicht, wären vermutlich die meisten hier gezeigten Gebäude der Abrissbirne zum Opfer gefallen.
Wir bummeln zwischen den unterschiedlichsten Gebäuden entlang und schauen in verschiedene Stallungen und kommen dabei auch an einem isoliert stehenden Klohäuschen vorbei, „ein stilles Örtchen mit Geschichte“.
Bei diesem Rundgang fällt uns auf, dass die Gebäude des Mindener Hofs alle auf einem Fundament aus Findlingen ruhen. Auch die Inneneinrichtung ist liebevoll zusammengestellt.
Wir bekommen einen Einblick in die verschiedensten Schlafräume und stellen dabei fest, Schlafplätze waren knapp. So mussten Pärchen in einem Bett schlafen, doch noch sehr kleine Kinder werden früh in einem kleinen Bett mit Gittern im gleichen Raum schlafen gelegt.
Manche Betten waren kastenartig und oben mit einer Decke versehen. Die Decke schützte gegen Flöhe und Ungeziefer und bot in einem Regal noch Platz zur Aufbewahrung von Habseligkeiten, die man „auf die hohe Kante legen“ konnte. Geschlafen wurde immer unter dicken und warmen Daunenbettdecken.
Die letzte große Hofanlage, die wir noch besichtigen wollen, ist das Osnabrücker Dorf, das seit 1968 hier im Museum steht. Dargestellt wird hier die Situation auf dem Land in NRW um 1800. Auch hier besteht die Anlage aus Haupt- und Nebengebäuden. In dem großen Haupthaus mit prächtigem Steilgiebel lebte der Inhaber des Hofes mit seiner Familie und für die landwirtschaftlichen Arbeiten wurden Knechte und Mägde, Kötter und Heuerlinge eingestellt. Passend zu den jeweiligen Arbeiten wurden ihnen unterschiedliche Unterkünfte zur Verfügung gestellt.
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Der Tecklenburger Kotten ist erheblich kleiner als die Wohn- und Wirtschaftsgebäude der wohlhabenden Bauern. Er hat ein tief herabgezogenes Strohdach und für das Dielentor war eine Öffnung an der Vorderseite ausgespart. Dieses altertümliche Vollwalmdach gab es um 1800 nur noch bei ärmeren Kotten.
Wie ein großes Bauernhaus enthält auch das Heuerlingshaus eine Diele mit seitlichen Ställen für Kuh und Ziege sowie eine offene Herdstelle und kleine Stuben und Kammern als Wohnräume. Die Wohnverhältnisse waren jedoch sehr beengt. Der frühere Besitzer dieses Hauses hatte es 1784 im Kreis Steinfurt erbaut, um es an seine Schwester und deren Mann als Heuerlinge zu vermieten.
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Heuerleute waren die unterste Sozialschicht ohne eigenen Haus- und Landbesitz im ländlichen Westfalen. Sie mussten ein Haus, den Kotten, und ein kleines Stück Garten oder Ackerland vom Bauern pachten („heuern“). Neben der Zahlung von Pachtgeld arbeiteten die Heuerlinge auch auf dem Hof ihres Verpächters. Doch die Landwirtschaft bildete nicht die Haupteinnahmequelle der Hausbewohner, sondern Spinnen und Weben sicherten ihr Überleben.
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Zu den hier gezeigten Gebäuden gehört auch eine Töpferei. Es ist ein schlichter Fachwerkbau, mit seitlichen Holz- und Trockenschuppen. Das Gebäude stand, wie auch hier im Museum in der Nähe eines Heuerlingskotten. Der Töpfer wohnte zur Miete und musste für die Nutzung von Kotten und Töpferei einen Pachtzins an den Bauern zahlen und außerdem auf Abruf Hilfsdienste auf dem Hof leisten. Bedingt durch Corona war der Zutritt in dem kleinen Häuschen leider nicht möglich und wir konnten der Töpferin nur durchs offene Fenster bei der Arbeit zusehen. Hier entstehen in Handarbeit große und kleine Blumentöpfe, Kräuterpflanztöpfe und vieles mehr.
Zum Abschluss unseres Besuches werfen wir noch einen Blick über den Zaun in einen Bauerngarten dieser Hofanlage. Ins Auge fallen uns dabei die zwölf großen, kegelförmig zugeschnittenen Eiben entlang des Hauptweges. Die üppigen Stauden stehen an den Ecken bunt bepflanzter Blumenbeete. Die Größe der Zierflächen in einem Bauerngarten sollte damals den sozialen Stand wiedergeben.
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Mit einem letzten Blick in den Garten endet für heute auch unser Besuch im Freilichtmuseum Detmold. Es war eine interessante Begegnung mit der bäuerlichen Kultur unserer Vorfahren und seit unserem letzten Besuch vor 26 Jahren sind so einige besondere und geschichtlich bedeutende Schmuckstücke hinzugekommen. Aufgrund der Vielzahl an Gebäuden haben wir an diesem Tag nicht alles anschauen können, denn das Gelände ist riesig. Es lohnt sich also, auch ein drittes Mal wiederzukommen. Am Ende unseres Rundgangs haben wir sicherlich mehrere Tausend Schritte getan. Müde und durstig kehren wir am frühen Abend zu unserem PKW zurück. |