Ein Tag im Weserbergland Mit dem Fahrrad von Bodenwerder nach Hameln und zurück
Heute, am letzten Tag unseres Urlaubs nehmen wir unsere Fahrräder erst einmal huckepack und fahren in Richtung Weserbergland. Hier an der Weser reihen sich geschichtsträchtige Städte wie an einer Perlenschnur auf kurzer Strecke auf. Zwei wollen wir heute besuchen.
Die Münchhausenstadt Bodenwerder begrüßte uns bereits am Ortseingang mit ihrem Namensgeber – dem Baron von Münchhausen.
Auf einem zentralen Parkplatz im Ort parken wir unseren PKW und wollen nun auf dem Weserrandweg 25 km bis zur märchenhaften Rattenfängerstadt Hameln radeln.
Das romantische Städtchen Bodenwerder haben wir uns für unsere Rückkehr aufgespart.
Es ist eine entspannte Tour, die uns genug Zeit für all die Sehenswürdigkeiten entlang des Weges lässt. Vom Parkplatz aus überqueren wir die Brückenstraße und fahren hinunter zur Weser.
Der Weser Radweg zählt zu den beliebtesten Fernradwegen Deutschlands. Er führt immer flussabwärts und fast durchgehend direkt entlang des Flusses.
Nur einen Steinwurf von Bodenwerder liegt in einem Weserbogen an außergewöhnlich schöner Stelle ein idyllisch gelegener Rastplatz mit Schutzhütte und traumhaften Blick auf die Weser. Von diesem Platz lässt sich die Natur heute Morgen noch in aller Stille genießen. Die Landschaft an der Weser ist besonders schön, da es kaum Industrie an den Ufern gibt.
|
Gemütlich radeln wir weiter entlang des Flusses und lassen immer wieder den Blick über die Weser gleiten. So sehen wir auch am anderen Ufer das Wasserschloss Hehlen. Seine zwei Rundtürme mit Dachhaube an der Schlossaußenseite sind uns sofort ins Auge gefallen. Das Schloss liegt am nordöstlichen Rand von Hehlen unmittelbar an der Weser in Höhe der Einmündung des Bachs Weißenwasser.
|
Das 1579-1584 für Repräsentationszwecke erbaute Wasserschloss war bis 1956 im Besitz derer von der Schulenburg. 1958 erwarb es der Inhaber des hannoverschen Unternehmens Machwitz Kaffee, dessen Familie es heute noch besitzt. Gut zu sehen ist von Weitem die Ende des 19. Jahrhunderts entstandene Freitreppe, die über den Wassergraben zu den Uferwiesen der Weser führt.
|
Der Fahrradweg führt an ehemaligen Fischerdörfern vorbei und jeder Ort hat auch seine Pausenbank aufgestellt. Neben solch einem Rastplatz erinnert das Dorf Hajen auf einer großen Infotafel an die Gierseilfähre. Die von 1389 bis 2010 betriebene Fähre wurde 2011 komplett demontiert wurde. Sie verband früher die auf dem gegenüberliegenden Weserufer verlaufende Bundesstraße 83 und das ehemalige Gasthaus Ruhberg.
|
Radfahrer, die mehr über die Geschichte der Dörfer wissen möchten, müssen viel Zeit mitbringen. Nur wenige 100 Meter von der Pausenbank stehen 4 Treidler-Figuren mit einer Katze. Diese Skulptur lässt uns schon wieder anhalten. Hier wurde bildlich dargestellt, wie sich ein Teil der Menschen, die früher an der Weser lebten, mühsam ihren Lebensunterhalt verdienten. Sie zogen in Zeiten, wo die Schiffe noch keine Motoren hatten, die Frachtkähne an langen Seilen stromaufwärts von Bremen bis Hannoversch Münden. Trotz dieser schweren Arbeit waren sie anscheinend nicht gut angesehen, was man einen nebenstehenden Schild entnehmen konnte.
|
Das malerische Hajen ist wegen seiner Katzensage bekannt und folgendes stand dort geschrieben:
“Die Treidelschiffer kehrten regelmäßig in Hajen ein. Eines Tages stahlen sie einen Hasenbraten aus dem Ofen, verzehrten ihn und verschwanden wieder, bevor der Wirt es merkte. Der Wirt schwor Rache. Als die Treidler später wieder einkehrten, schlachtete er seinen alten Kater. Nachdem sie ihn gegessen hatten, klärte der Wirt die Männer auf und den Treidlern wurde speiübel. Fortan zogen die Treidler an Hajen vorbei und miauten so jämmerlich, bis die Bauern sie mit Mistgabeln verfolgten. Seitdem wird dieser Ort „Kattenhajen“ genannt“. Heute gibt es ein munteres Treiben mit Fahrrädern und Inlinern auf dem Weser-Radweg, dem ehemaligen Treidelpfad.
Nach einem Fotostopp folgen wir weiter dem Fluss und radeln am schön gelegenen Campingplatz Grohnder Fährhaus vorbei. Die Landgaststätte mit einem Biergarten unter alten Bäumen wird vornehmlich von Kanufahrern, Radfahrern und Wanderern genutzt.
Gleich daneben setzt die Grohnder Fähre im Sommerhalbjahr ans andere Ufer über. Einen festen Fahrplan hat die Fähre nicht. Der Fährmann wartet auf der Seite des Flusses, an der er zuletzt Passagiere abgesetzt hat. Kommt am anderen Ufer Kundschaft, genügt ein Wink und die Fähre setzt sich in Bewegung. Diese Gierseilfähre hängt an einem langen Drahtseil und überquert die Weser mit der Kraft der Strömung, fast lautlos und ohne Motor. Diese Fähre aus dem Jahre 1931 kann mit einer Länge von 25 ½ Metern und einer Breite von 6 ½ Metern bis zu 45 Personen auf die andere Weserseite übersetzten. Doch nicht nur Personen, sondern auch Fahrräder, PKWs und andere Fahrzeuge können von Ufer zu Ufer wechseln. Fähren dienen in diesem Abschnitt als Ergänzung für die wenigen Brücken.
Wir wechseln jedoch nicht zum anderen Weserufer, sondern radeln weiter in Richtung Hameln. Doch eine weitere Sehenswürdigkeit lässt uns erneut vom Fahrradsattel steigen. Direkt am Fahrradweg steht die 1883 gebaute Holländer Windmühle von Tündern. Die Mühle ist ein sogenannter Erdholländer. Der obere Teil der Mühle ist beweglich, sie wird deshalb auch als Kappendreher bezeichnet.
Die Windrose richtet die Flügel automatisch nach dem Wind aus. Die Tündersche Mühle war lange eine reine Schrotmühle. Das heißt, sie mahlte für die Bauern Viehfutter. 1921 wurde ein Elektromotor eingebaut, damit wurde der Müller unabhängiger vom Wind. 1927 ließ der Eigentümer einen Walzenstuhl einbauen, sodass die Mühle auch Mehl mahlen konnte. Schrotmühle und Walzenstuhl standen als unabhängige Systeme nebeneinander in der Mühle. Die restaurierte Mühle kann heute besichtigt werden.
Da wir jedoch nach Hameln wollen und die Besichtigung der Altstadt noch auf unserem Programm steht, radeln wir nach einer kurzen Fotopause weiter. Es geht an den gewaltigen Kühltürmen des AKW-Grohnde vorbei. Rechts davon das Reaktorgebäude und der Abluftkamin. Es ist eines der sechs Kernkraftwerke, die heute noch in Betrieb sind.
Nach rund 36 Jahren soll das Kraftwerk Grohnde bei Hameln am 31. Dezember 2021 endgültig vom Netz gehen. Es gehörte nach Betreiberangaben mehrfach zu den erzeugungsstärksten Kraftwerken weltweit. Mit dem Abschalten beginnt der Rückbau des Kernkraftwerks, dass lt. Preussenelektra rund 15 Jahre dauern wird, danach schließen sich noch rund zwei Jahre für den Abbruch der Gebäude an. Auf den 25 km unserer Radtour haben wir einige idyllische Rastplätze angetroffen. Mit dem Knochenhauer-Eck, kurz vor dem Hamelner Hafen, hat der Hamelner Verein für Heimatpflege einen sehr ansprechenden Platz an der Weser vor 3 Jahren wieder instand gesetzt. Er bietet neben einer schönen Sitzecke auch einen Logenplatz direkt an der Weser.
Nun radeln wir über die 25 Meter breite Löwenbrücke an der Mündung der Fluthamel. Sie wurde 2017 neu errichtet und ist etwas breiter als bisher, damit sich Fahrradfahrer begegnen können. Das letzte Stück unserer Fahrradtour führt uns durch Hamels Hafen. Hier liegt seit 1988 das Mienensuchboot „Pluto“, das seit 1992 als Vereinsheim der Marinekameradschaft Hameln genutzt wird.
An der Weserpromenade, in Höhe der Münsterbrücke verlassen wir den Weserradweg und sehen vor uns die älteste Kirche in Hameln, die direkt am Weserufer liegt.
Das Münster St. Bonifatius ist eine ev. luth. ehemalige Kloster- und Stiftskirche, in der seit mehr als 1200 Jahre Gottesdienste gefeiert werden. Die denkmalgeschützte Kirche ist ein Element des Stadtwappens von Hameln. Da sie unmittelbar am Weserradweg, rechts der Weser steht, ist sie auch eine Radwegekirche. Doch auch viele Pilger kommen in diese Kirche, die direkt am Pilgerweg Loccum-Volkenroda liegt.
Über rund 290 km verbindet der Pilgerweg die ehemaligen Zisterzienserklöster Loccum und Volkenroda und führt dabei durch reizvolle Landschaften. Eine Turmbesteigung soll lt. Homepage des Tourismusbüros einen wunderbaren Blick über Stadt und Land bieten.
Wer Hameln hört, denkt an den Rattenfänger. Wegen der Sage ist die Stadt im Weserbergland über die Landesgrenzen hinaus bekannt und wirbt auf Schritt und Tritt mit der Märchenfigur. Kleine Metallplatten mit Rattenmotiv auf den Pflastersteinen weisen den Weg durch die Altstadt auf den Spuren des Mannes mit der Flöte. Doch die Stadt an der Weser hat neben der bekannten Sage, die auf einer Überlieferung aus dem Jahre 1284 beruht, auch eine sehenswerte Altstadt mit schönen Renaissancebauten zu bieten, die wir uns noch einmal ansehen wollen. Denn uns hat vor allem die Erinnerung nach hier gelockt.
Wir starten mit unserem Rundgang in der Kupferschmiedestraße, an dessen alten Fachwerkhäusern wir uns noch gut erinnern können.
Zu den schönsten Häusern in der kleinen Gasse gehört das 1560 erbaute Bürgerhus. Es handelt sich um ein dreigeschossiges Eckhaus mit reichem Schnitzwerk, das sehr aufwendig saniert wurde, denn das gesamte Fachwerk wurde nach alter Zimmermanns-Handwerkskunst gebaut.
Das Bürgerhus vermittelt sowohl von der Kupferschmiedestraße, wo sich der Gebäudeeingang befindet, als auch von der Wendenstraße, einen interessanten Blick auf die außergewöhnliche Architektur. Doch auch die nebenstehenden Häuser haben ihren besonderen Reiz.
Wir schieben unser Fahrrad durch die kleinen Gassen und kommen zur zweitältesten Kirche auf dem Großen Markt. Die Marktkirche St. Nicolai liegt im Zentrum der Altstadt, direkt neben dem Hochzeitshaus. Der Name St. Nicolai kommt von dem Heiligen Nikolaus, Bischof aus Myra aus dem 4. Jahrhundert. Er wurde im Mittelalter sehr populär, u. a. als Schutzheiliger der Schifffahrt. Die Namensgebung der Kirche kann wohl im Zusammenhang mit der Handelsschifffahrt auf der Weser im Mittelalter gesehen werden.
Direkt gegenüber von der Marktkirche liegt eines der wohl schönsten Häuser von Hameln, das Dempterhaus. Es wurde 1607 von seinem Namensgeber erbaut. Über den Eingang des Gebäudes ließ der spätere Bürgermeister der Stadt Hameln in lateinischer Schrift schreiben: "Tobias von Dempter und Anna Bocks ließen mich erbauen".
Die beiden unteren Geschosse sind in Stein ausgeführt und die Fassade ist entsprechend im Stil der Renaissance deutlich betont. Der Vorsprung an der Gebäudefront erstreckt sich über zwei Geschosse und hat je drei Fensterachsen zwischen den Säulen. Er trägt in dem figürlich geschmückten Giebel die Jahreszahl 1608. Darüber liegen das ehemalige Speichergeschoss und die Dachgeschosse, die in Fachwerkkonstruktion mit reichem Beschlagwerk ausgeführt wurden. Diese Ornamente haben ihren formalen Ursprung im Schmiedehandwerk und erinnern daher nicht von ungefähr an Beschläge von hölzernen Truhen oder Türen.
1402 wurde der Pferdemarkt als Großer Markt erstmalig erwähnt. Als freier Platz direkt an der Marktkirche und dem alten Rathaus angrenzend, war und ist er auch heute zentraler Markt und Schauplatz der Hamelner Innenstadt.
Blickpunkt ist neben der Kirche das Hochzeitshaus, welches 1610-1617 erbaut wurde. Dieser bedeutende Sandsteinbau steht heute unter Denkmalschutz.
Das Hochzeitshaus in Hameln war kein Ort zum Heiraten, sondern diente als Fest- und Feierhaus der Bürgerschaft. Erst seit den 1950er Jahren ist dort das Standesamt der Stadt Hameln untergebracht.
Im Giebel des Hauses sind seit 1964 37 Glocken angebracht, die eine im Krieg zerstörte Uhr ersetzen.
Dreimal täglich um 13:05, 15:35 und 17:35 Uhr findet eine Vorführung der Rattenfängersage statt. Dazu öffnet sich eine Bronzetür, die sich mittig in der Fassade befindet, und das Figuren- und Glockenspiel wird gezeigt.
Bei unserem letzten Besuch hatten wir das Glück dieses Figurenspiel mitzuerleben. Der Rattenfänger von Hameln soll der Sage nach nicht nur sämtliche lästigen Nager in die Weser getrieben, sondern 1284 auch alle Kinder der Stadt entführt haben, als man ihn nicht bezahlen wollte.
Seit 1984 steht gleich neben dem Hochzeitshaus die Skulptur „Tanzendes Paar“ von dem Bildhauer Rudolf Breilmann.
Ob mit diesem schön gestalteten Paar beim gemeinsamen Tanz wohl an das damalige Fest- und Feierhaus der Bürgerschaft erinnern werden sollte?
Auf dem Pferdemarkt, gleich neben der Marktkirche steht seit 1992 eine imposante Skulptur, die die Öffnung des „Eisernen Vorhangs“ symbolisiert.
Über 40 Jahre war das Land geteilt gewesen und am 9. November 1989 wurde die Mauer in Berlin geöffnet. Anlässlich der zu dieser Zeit erst kürzlich erfolgten Wiedervereinigung Deutschlands wurde dieses Thema in der Skulptur aufgegriffen und bearbeitet. Es werden verschiedene Bilder der Freiheit dargestellt. So hält der erste frei gewählte Bürgermeister von Quedlinburg, Rudolf Röhricht, das Rathaus der Stadt in seinen Armen. Doch auch die neue Macht des Konsums wird bildlich dargestellt, die nun in die neuen Bundesländer schwappt und von den Jüngsten Besitz ergreift. Das von dem Bildhauer Professor Wolfgang Dreysse aus der Partnerstadt Quedlinburg geschaffene Grenzöffnungsdenkmal nimmt Bezug auf die damalige Zeit und es ist schon interessant, sich die verschiedenen Details anzusehen.
Bei unserem Spaziergang wollten wir eigentlich die Altstadt erkunden, doch entdecken wir auf unserem Weg zusätzlich immer wieder schöne Skulpturen.
So steht auf den Pflastersteinen der Osterstraße „die Neugierige“. 1984 von dem Senderhorster Bildhauer Bernhard Kleinhans erschaffen, steht sie vor dem Hamelner Museum. Der Bildhauer hat in humorvoller Weise menschliche Verhaltensweisen dargestellt.
Das Museum Hameln ist mitten in der historischen Altstadt im Stiftsherrenhaus und Leisthaus, zwei bürgerliche Wohnhäuser, untergebracht. Das Leisthaus zählt zu den bekanntesten Häusern der Hamelner Altstadt.
Es stellt eines der prachtvollsten Bauwerke der Weserrenaissance dar und steht unter Denkmalschutz.
Die Sandsteinfassade zeigt neben den Wappen des Bauherrn und seiner Frau auch schöne Giebelkonstruktionen.
Den ausgebauten Vorbau krönt eine Figur der Lucretia. Zusammen mit dem benachbarten Stiftsherrenhaus beherbergt es das Museum Hameln. Das Museum Hameln lädt ein zu einem spannenden Rundgang durch die Geschichte einer lebendigen Stadt am Fluss. Die Sage vom Rattenfänger ist zentrales Thema der Dauerausstellung. Im Erdgeschoss lädt seit den Renovierungsarbeiten 1975 das Museumscafé zu einem Besuch ein. Da auch wir Lust auf ein Käffchen hatten, gönnen wir uns eine Pause. Es ist ein tolles Gefühl, in den warmen Sommermonaten wieder auf unseren Radtouren einen Kaffee und ein Stück Kuchen und wieder einen Teil Normalität zurückbekommen zu haben.
Nach dieser Rast schieben wir unsere Fahrräder weiter die Osterstraße entlang. Diese Straße ist benannt nach dem Ostertor, dem im Osten gelegenen Stadttor. Sie gehört seit 1978 zur Hamelner Fußgängerzone und lädt zum Einkaufen und Bummeln ein und war am heutigen Samstag stark besucht.
Vor der Osterstraße 19 treffen wir auf die Statue vom Rattenfänger, einem Geschenk an die Stadt Hameln.
Der Sage nach hat der Rattenfänger mit seinem Flötenspiel 130 Kinder aus der Stadt gelockt und somit entführt. Diese Sage prägt die Stadt Hameln und man trifft auf vielerlei Dinge die auf diese Geschichte hindeuten.
So stehen wir kurze Zeit später vor dem Rattenfängerhaus. Dieses prachtvolle Gebäude gehört zu den bekanntesten Häusern der Hamelner Altstadt und steht wie so viele Gebäude unter Denkmalschutz. Das Haus wurde im Jahr 1602-1603 errichtet und die Fassade ist im Original erhalten geblieben. Seit 1917 ist das Haus im Besitz der Stadt Hameln. Heute befindet sich ein Restaurant in dem Gebäude.
Seit etwa 1900 wird das Haus als „Rattenfängerhaus“ bezeichnet. Sein Name gründet sich auf eine Inschrift in einem Holzbalken an der Bungelosenstraße. Lt. Wikipedia stand dort: „Im Jahre 1284, am Tage von Johannes und Paul – es war der 26. Juni – wurden durch einen bunt gekleideten Pfeifer 130 in Hameln geborene Kinder entführt“. Der Sage nach führte der Rattenfänger die Kinder durch die Bungelosenstraße aus der Stadt hinaus. Daraufhin wurde das Spielen von Musik in der Straße auf alle Zeit verboten.
Es ist bereits später Nachmittag, als wir nach unserem Altstadtrundgang durch eine Unterführung gehen und unterhalb der Rattenfänger-Halle stehen. Sie ist seit 1988 der größte Veranstaltungsort der Stadt und bietet maximal 2300 Sitzplätze. Die vielfältige Nutzung reicht von sportlichen Wettbewerben über Bälle, Märkte, Messen bis hin zu Konzerten und Tagungen.
Neben uns steht ein interessanter Brunnen, über den ich im Internet außer in Facebook/stadtarchiv leider keine Beschreibung gefunden habe.
Dort stand zu lesen: „Im Zuge des Baus der Rattenfänger-Halle 1987/88 wurde der Brunnen umgesetzt und fand seine neue Heimat auf dem kleinen Platz vor der Halle.
Dieser wurde 1992 als Europaplatz benannt - und schon hatte auch der Brunnen wieder einen neuen Namen weg - "Europabrunnen", aber sein eigentlicher Name ist scheinbar doch "Wasserspeiende Fische".
Schade, dass man im Internet nichts Näheres erfahren konnte, denn der Brunnen hat viele interessante Abbildungen, die man als Ortsfremder leider nicht deuten kann.
Durch eine Grünanlage schieben wir unsere Fahrräder auf die Weserpromenade. Hier steht fast versteckt in einem Grünstreifen die Skulptur „Die Liebenden“. Anstelle eines Ehrenplatzes mitten in der Altstadt wurde die Skulptur „abgeschoben“. Denn das Paar, das da in so inniger Umarmung jetzt am Weserufer steht, stand zunächst im Innenhof des Kunstkreises und sorgte dort für einige Turbulenzen. Zumindest beim damaligen Oberstadtdirektor Dr. von Reden-Lütcken. Vor allem über die nicht zu übersehende Hand, die der Herr seiner Dame auf die wohlgeformte Rundung ihres Hinterteils legt. Das geht denn doch zu weit, ließ Hamelns Verwaltungschef ein ums andere Mal hören. 1991 landete sie schließlich an ihrem jetzigen Standort am Weserufer, inmitten von viel Grün.
Da wir auf der Promenade stehen, wo auch gleichzeitig der Weserradweg verläuft, treten wir nun kräftig in die Pedalen um wieder zurück nach Bodenwerder zu fahren. Unser Pedelec hat zwar einen Motor, doch wir sind das Getriebe und geben die Geschwindigkeit an. Ausflüge mit dem Rad bringen nicht nur Spaß, sondern halten uns auch in Schwung.
Haben wir auf der Hinfahrt sehr viel Interessantes entdeckt, stoßen wir auf der Rückfahrt noch auf einen Gedenkstein, der an die Weser-Passage bei Ohsen von 1654-1899 erinnert. Die schnell fließende Weser ist trotz ihrer überschaubaren Breite ein Hindernis, das die Bewohner der Region vor Herausforderungen stellt. Den Weg von hüben nach drüben ermöglichten früher im Raum Emmerthal fünf Fähren: in Ohr, Tündern, Ohsen, Hajen und Grohnde. Durch den Bau der Valentinibrücke 1899 sind sie überflüssig geworden. Die 179 Meter lange Brücke ist die einzige feste Weserquerung zwischen Hameln und Grohnde.
Auf dem Weserradweg, wo Steigungen entlang des Flusses kaum eine Rolle spielen, macht das Radeln viel Spaß. Jetzt, am späten Nachmittag, ist es sehr ruhig am und auf dem Wasser. Es kommt uns auf der Weser nur ein Schlauch- und Paddelboot entgegen. Die Kanuten und Ruderer gleiten – von der Strömung unterstützt – die Weser hinab. Die Weser gilt als einer der beliebtesten Wanderpaddelflüsse Deutschlands und ist auch für Anfänger und Familien ein geeignetes Revier. Platsch … platsch sind die einzigen Geräusche auf diesem Abschnitt an der Weser. Immer wieder tauchen die Kanufahrer ihre Paddel ins Wasser und schicken Dutzende kleine Wellen auf die Reise.
Die Grünlandflächen entlang des Flusses werden teils auch für die Rinderhaltung genutzt und so treffen wir auf grasende und auf den Grünflächen widerkauende Rinder. Es ist schön anzusehen, welch eine Ruhe die Tiere ausstrahlen.
Während unserer Rückfahrt öffnen sich immer wieder schöne Ausblicke über den Fluss bis wir Bodenwerder, eingebettet in die idyllische Landschaft, auf der gegenüberliegenden Seite wieder liegen sehen.
Etwas wehmütig steigen wir vom Rad. In Bodenwerder endete nach einem schönen Herbsttag unsere 53 km lange Fahrradtour entlang der Weser. Diese Tour war gleichzeitig auch unsere letzte Fahrradtour in diesem Urlaub.
Doch nachdem unsere Fahrräder wieder auf dem PKW verstaut sind, machen wir auch hier noch einen Altstadtrundgang. Hat sich in Hameln alles um den Rattenfänger gedreht, geht es hier in Bodenwerder um den Baron von Münchhausen. Er ritt auf einer Kanonenkugel, zog sich am eigenen Schopf aus dem Sumpf und trabte mit einem halben Pferd umher - Die verrückten Abenteuer des Barons Münchhausen sind weltberühmt -. Dass es den legendären Lügenbaron tatsächlich gab, ist weniger bekannt. Hier im Weser-Örtchen Bodenwerder, zwischen Hameln und Holzminden, war er zu Hause. Seit 2013 darf Bodenwerder ganz offiziell den Zusatz "Münchenhausenstadt" tragen.
Wir beginnen unseren historischen Rundgang am Münchhausen-Geburtshaus, dem heutigen Rathaus. In dem 1603 erbauten Wohnhaus wurde Hieronymus Carl Friedrich Freiherr von Münchhausen am 11. Mai 1920 geboren. Es ist eine der Erinnerungsstätten an den großen Sohn der Stadt. Das Geburtshaus ist ein dreigeschossiger, sehr stattlicher Bau. Über der Tür des Hauses hat Münchhausens Vater - Georg Otto von Münchhausen – in Sandstein das Familienwappen, die eigenen Initialen und die seiner Frau und den alten Münchhausen-Wahlspruch „Mine Borg ist God“ eingemeißelt. Seit 1936 ist das Münchhausen-Geburtshaus Eigentum der Münchhausenstadt Bodenwerder und dient als Rathaus.
Direkt vor dem Rathaus befindet sich die Bronze-Skulptur des halben Pferdes, aus dem Wasser sprudelt. Das von Bruno Schmitz gestaltete Denkmal wurde 1963 feierlich eigeweiht und befindet sich im ehemaligen Gutshofpark. Er stellt eine Anekdote aus dem Türkenkrieg dar, als Münchhausen seinen „halben“ Litauer am Marktbrunnen zu Oczakow trinken lässt.
Unser Rundgang durch die hübschen Gassen führt uns zur Altstadtkirche St. Nicolai. Die Kirche wurde im 15. Jahrhundert als dreischiffige gotische Hallenkirche erbaut und dem Heiligen Nikolaus geweiht. Wegen des ständig wiederkehrenden Hochwassers wurde im 19. Jahrhundert der Fußboden der Kirche um mehr als einen Meter höher gelegt. Die Kirche wurde 1962 sowie 1985-87 umfassend renoviert. Der Kirchturm beherbergt die wohl älteste Glocke des Kirchenkreises aus dem Jahre 1471. Sie wurde als Einzige in den Kriegen nicht eingeschmolzen und verkündet zusammen mit zwei neueren Glocken noch heute Freud und Leid.
Bodenwerder ist ein sehenswertes und idyllisches Fachwerkstädtchen. So kann das älteste Wohnhaus aus dem Jahre 1484 noch heute direkt neben der Kirche bewundert werden. Selten ist der Spitzbogen über dem Türeingang, auch Eselsrücken genannt. Über diesem ist in gotischen Buchstaben die Angabe des Erbauungsjahres zu lesen. Die zwei Dachgeschosse sind auf dem vorragenden Stichgebälk aufgesetzt.
Das zweitälteste Bürgerhaus der Münchhausenstadt Bodenwerder befindet sich in der Homburgstraße Nr. 50 und wurde 1550 erbaut. Es ist ein kleines, dreigeschossiges Fachwerkhaus, welches sich schon sehr neigt. Doch die mehr als 450 Jahre alten Eichenbalken sollen dem Haus auch heute noch Sicherheit und Halt geben. An der Fassade ist eine Inschrift zu lesen. Ursprünglich hatte das Haus einen rundbogigen Hauseingang. Heute finden wir einen moderneren Hauseingang vor.
Inmitten der Fußgängerzone stoßen wir auf den großen Münchhausen-Brunnen. Er wurde vom Bildhauer Bonifatius Stirnberg aus Aachen 1994 gefertigt.
Der Brunnen stellt gleich drei der berühmten Lügengeschichten des Barons von Münchhausen dar: - Münchhausens Entenjagd, der Ritt auf der Kanonenkugel und das Pferd an der Kirchturmspitze -.
Hier die drei Lügengeschichten.
Die Entenjagd: Eines Tages wollte Münchhausen am See Enten schießen gehen. Mit einem raffinierten Trick band er alle Enten an einer Leine, sodass keine wegfliegen konnte. Er wollte sie mit nach Hause nehmen, doch auf dem Weg dahin flogen sie mitsamt Münchhausen wieder Richtung See.
Der Ritt auf der Kanonenkugel: Im Feldzug wollte der Marschall wissen, wie es in der Festung aussah, die sie belagerten. So stellte sich Münchhausen neben eine der Kanonen und wartete, bis die nächste Kugel herauskam, um auf sie zu springen. Er flog also auf der Kanonenkugel in die Festung.
Das Pferd an der Kirchturmspitze: Auf dem Weg nach Russland im tiefsten Winter, als alles zugeschneit war, ließ Münchhausen sich mit seinem Pferd nieder und machte ein Schläfchen. Das Pferd band er an eine Baumspitze. Am nächsten Tag erwachte er mitten auf dem Kirchplatz und sein Pferd hing am Kirchturm.
Unser Rundgang durch die Münchhausenstadt führt uns entlang der Fußgängerzone bis zum Festungsturm am Mühlentor. Dieser Turm sicherte seit dem 13. Jahrhundert eine Brücke über den Weserarm. Es war damals der einzige Zugang auf die Weserinsel und zur Altstadt, den die Stadt lag zu dieser Zeit noch auf einer Insel zwischen der Weser und einem Seitenarm. Der Weserarm, der um die Altstadt herum führte, wurde erst 1948 zugeschüttet.
Von hier geht es ans Ufer der Weser. Dort steht seit 1997 die zweite Pferdehälfte. Es ist das Hinterteil zum halben Pferd am Münchhausen-Brunnen im Rathauspark.
In der Geschichte fand Münchhausen die hintere Hälfte des Pferdes auf einer Weide wieder.
Sie sprang dort munter im Gras herum. Der Regimentshufschmied heftete die beiden Teile des Pferdes mit Lorbeersprossen wieder zusammen, sodass Münchhausen weiter auf seinem Pferd reiten konnte. Diese und weitere Geschichten findet man im Münchhausen-Museum neben dem Rathaus.
Bevor wir zum Abendessen gehen, setzen wir uns noch einmal in Ruhe ans Weserufer und genießen ein paar Momente der Entspannung. Diese schöne Weserpromenade ist saniert worden und im Mai d.J. offiziell eingeweiht worden. Entlang der Weser bietet sie einen einzigartigen Wohlfühlflair.
|
Die ansprechend gestaltete Weserpromenade wird neben den Lügengeschichten des Barons von Münchhausen sicherlich nicht nur bei uns in Erinnerung bleiben. Einige Restaurants reihen sich an der Promenade und bieten mit ihren Terrassen mediterranes Lebensgefühl. Da jedoch bereits die abendliche Kühle von der Weser aufzieht, setzen wir uns lieber geschützt in die kleine Fußgängerzone mit Blick auf den Münchhausen-Brunnen. Es ist bereits dunkel, als wir uns auf die Rückfahrt nach Bad Meinberg machen.
|
Rausgehen und wirklich etwas erleben – dazu muss man nicht in die Ferne fliegen. In diesem Jahr verbrachten wir abwechslungsreiche Urlaubstage in der herbstlichen Natur im Teutoburger Wald. Der Corona Virus bestimmte zwar nach wie vor weite Teile unseres Urlaubs, doch wir haben gelernt, distanziert unser Leben zu gestalten, Abstand zu halten und Schutzmasken zu tragen. Derzeit hat sich die Corona-Lage in Deutschland deutlich entspannt. Was erwartet uns in den kommenden Monaten? Das ist der Blick in die Glaskugel!
Doch wenn wir zu Hause im Supermarkt die Getränkeflaschen mit dem Aufdruck „Bad Meinberger“ sehen, werden wir sicherlich an wunderschöne Urlaubstage zurückdenken. |