Gaggenau, Bad Herrenalb und Michelbach
In der vergangenen Nacht hatte es geregnet und heute Morgen hatte die Sonne nur kurz ihre Existenz bestätigt, bevor die Wolken wieder den Himmel bevölkern. Daher entschließen wir uns zu einem Stadtbummel in Gaggenau. Es ist eine Kreisstadt im unteren Murgtal, beiderseits der Murg, am Fuße des Nordschwarzwaldes gelegen.
Der Ort schmückt sich mit dem Titel: Blühende Stadt an der Murg", "Stadt im Grünen" oder "dynamische Industriestadt" – alles trifft irgendwie auf Gaggenau zu. Die Innenstadt des Ortes wurde im Zweiten Weltkrieg zu etwa 70 % zerstört und kann sich daher kaum mit historischen Bauwerken schmücken.
Wir haben unser Auto in einem Kaufhaus-Parkhaus abgestellt, gehen durch die Fußgängerzone und gelangen zur katholischen Kirche St. Josef. Sie wurde 1901 erbaut und bei einem Fliegerangriff 1944 fast vollständig zerstört. Erst 1950 konnte der Wiederaufbau abgeschlossen werden. Der Baustil ist der frühromanischen Architektur nachempfunden.
Wir setzen unseren Stadtrundgang fort und kommen zum Marktplatz, wo ein Brunnen vor sich hin plätschert.
Ihm gegenüber steht das 1958 eingeweihte neue Rathaus. An der Fassade des Rathauses befindet sich eine Steintafel. Es bildete den Portalschlussstein, des 1906-1908 erbauten alten Rathauses, welches im Zweiten Weltkrieg völlig zerstört wurde.
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Das dargestellte Gaggenauer Wappen – halbes Zahnrad und Glasbecher - wurde von 1901 bis 1938 verwendet und versinnbildlichte die Eisen- und Glasindustrie Gaggenaus. In der Tourist-Information erhalten wir Kenntnis von einer alten Glashütten-Siedlung, etwas außerhalb des Zentrums, an der Murg gelegen. Für den Beginn des Glashüttenwesens steht die im Jahre 1772 von Anton Rindeschwender veranlasste Verlagerung einer 1698 in Mittelberg errichteten Glashütte nach Gaggenau.
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In Höhe des heutigen Glaserstegs einstand die Glashüttensiedlung. Neben dem Hüttengebäude mit Glüh-, Schmelz- und Kühlöfen, einer Pottaschesiederei und dem Glasmagazin wurden ein Herrenhaus, ein Wirtshaus und eine Wohnsiedlung für die Arbeiter errichtet. Die Siedlung umfasste insgesamt 20 Häuser und 25 Nebengebäude. Mit dem Bau der Glasfabrik und der dazu gehörigen Siedlung setzte Anton Rindeschwender somit den ersten wesentlichen Meilenstein für die Industrialisierung von Gaggenau. In der Glashütte wurde „weißes, grünes und farbiges Glas“ geschmolzen und daraus wurden Flaschen, Becher, Krüge, Karaffen, Kelche, Humpen aber auch Fensterglas oder Gläser für chemische Zwecke hergestellt. Von 1773 bis 1869 wurde die Glasfabrik von Anton Rindeschwender oder dessen Nachkommen betrieben. 1869 ging sie in Konkurs, als man mit zu großem finanziellen Aufwand von Holz- auf Steinkohlebefeuerung umstellte.
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Die Glashütten-Siedlung erinnert mit ihren teilweise bis heute erhaltenen Fachwerkhäusern an ein bedeutendes frühindustrielles Unternehmen.
Am linken Ufer der Murg gehen wir zurück ins Zentrum und stehen kurze Zeit später vor dem unter Denkmalschutz stehenden Gartenhaus von Rindeschwender.
Es befindet sich seit 1900 im Besitz einer Gaggenauer Familie, von der es bereits in der vierten Generation bewohnt wird.
Entlang des Flusses gehen wir weiter bis zur Konrad Adenauer Brücke. Hier überqueren wir die Murg und haben nochmals einen schönen Blick auf die Kirche St. Josef.
Immer an der Murg entlang geht es weiter bis zur Flürscheimbrücke. Benannt ist die 1981 errichtete Brücke nach Michael Flürscheim, der 1873 das Gaggenauer Hammerwerk erwarb und zum Eisenwerk ausbaute. Flürscheim engagierte sich auch sozial. Er führte eine Arbeiterkrankenkasse ein und regte als Gemeinderat darüber hinaus den Gaggenauer Wochenmarkt an.
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Am anderen Ufer steht die ev. Markus-Kirche. Auch diese Kirche musste nach dem Krieg wieder aufgebaut werden und erhielt neben den beiden Seitenschiffen nur noch einen kurzen, gedrungenen Turm. Strahlende Sonne am blauen Himmel hatte sich heute Morgen zwar noch nicht eingestellt, doch lockerte der Himmel auf, so dass wir unsere Rundfahrt fortsetzen konnten und zum Mittagessen in Bad Herrenalb eintrafen.
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Die Kurstadt liegt in geschützter Lage am Schnittpunkt von 7 Tälern, in einer Höhe von 365 m. Aus Streusiedlungen, die sich um die Gebäude des ehemaligen Zisterzienserklosters ansiedelten, entstand Bad Herrenalb. Vom Klosterdorf entwickelte sich der Ort über die Jahrhunderte zu einer blühenden Tourismusstadt, die heute den Titel „Heilklimatischer Kurort und Heilbad“ trägt. Seit dem Bau der Albtalbahn im Jahr 1898 ist Herrenalb an das Eisenbahnnetz angeschlossen. Zuerst schmalspurig errichtet, wurde sie in den 1960er Jahren auf Normalspur umgespurt und ist seitdem in das Karlsruher Stadtbahnnetz integriert.
Passend zu den historischen Dampfzugfahrten auf der Albtalbahn bekam der Bahnhof von Bad Herrenalb Ende der 1970er Jahre ein historisches Erscheinungsbild. Der restaurierte Jugendstilbahnhof stammt vom 1977 stillgelegten Baden-Badener Stadtbahnhof und war Schauplatz von Film- und Fernsehproduktionen.
Wir setzen unsere Ortserkundung mit einem gemütlichen Spaziergang durch den Kurpark fort. Hohe Bäume und Ziersträucher, aber auch exotische Pflanzen und schöne Blumenrabatte zieren den alten Kurpark von Bad Herrenalb.
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Das leise Plätschern des Bachlaufes und das Zwitschern der Vögel schaffen den richtigen Rahmen, um den Aufenthalt zu genießen.
Mitten im historisch gelegenen Ortszentrum, umgeben von dem idyllischen Park liegt das im Jahr 1849 als "Konversationshaus" erbaute, 1984 um Wandelhalle, Trinkpavillon und Lesesaal erweiterte Kurhaus. Es dient den Gästen als Informationszentrum und verfügt über drei große Säle mit regelmäßig stattfindenden Feierlichkeiten aller Art, Ausstellungen und Konzerten.
Vorbei am Mönchs Posthotel, gebaut im sogenannten „Nordschwarzwälder Bädestil“ geht zu den Resten der ehemaligen Zisterzienserabtei.
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Von der ehemaligen Klosteranlage ist nicht mehr viel übrig geblieben. Am Durchgang zur Klosterbereich befindet sich das Klostertor. Es bildete den Zugang zur Außenwelt.
Neben der Klosterkirche lassen sich historische Reste des ehemaligen Klosters entdecken.
Zu sehen sind noch das ehemalige Paradies – eine dachlose Vorhalle. Das Paradies wurde um 1200 errichtet und in der Spätgotik 1462 erhöht. Es war der Versammlungsraum der Konversen (Laienbruder ohne Priesterweihe) und diente als Beisetzungsstätte.
Am steilen Giebel sind eine Christusfigur und ein Türmchen angebracht.
Das Ostportal, dem ehemaligen Haupteingangsportal der romanischen Klosterkirche, hat ein Besonderheit vorzuweisen, die als Naturdenkmal eingetragen ist: Eine gesunde, heute 20 Meter hohe Kiefer krönt seit über 150 Jahre dieses Portal.
Die Klosterkirche geht auf das Jahr 1149 zurück und wurde im Laufe ihrer Geschichte großteils neu erbaut. Sie besitzt noch zwei kreuzgratgeschmückte Kapellen, Maßwerkfenster mit bemalten Gläsern und den 1428 erbauten spätgotischen Chor.
In einem nahen Jugendstilgebäude befindet sich das seit 1982 privat geführte Spielzeugmuseum. Es zeigt eine Sammlung von Puppenhäusern, Puppenstuben und -küchen, Kauf- und Modeläden. Des Weiteren sind Modelleisenbahnen, Dampfmaschinen, Gesellschaftsspiele, Puppentheater und Karussells ausgestellt, die aus dem 19. und vom Beginn des 20. Jahrhunderts stammen.
Als Teil des ehemaligen Zisterzienserklosters Herrenalb ist das Gebäude der heutigen Klosterscheuer bereits im 12. Jahrhundert entstanden. Das Gebälk in den oberen Stockwerken ist noch zu 80% original erhalten und stammt aus dem Jahre 1437. Es gehört zu den am besten erhaltenen romanischen Gebäuden im süddeutschen Raum. Die Renovierung stand unter dem Motto „soviel Altsubstanz zu zeigen wie möglich“. Jetzt verwöhnt eine moderne Erlebnisgastronomie den Gast, in urgemütlichem historischem Ambiente.
Wir gehen die Kurpromenade entlang, sie verbindet den alten Kurpark und die weiter nördlich anschließenden neuen Kuranlagen auf der Schweizer Wiese. Im Laufe der letzten Jahrhunderte hat sich hier im Albtal am nordwestlichen Rand des Schwarzwaldes eine schöne und romantische Fluss-, Wiesen- und Tal-Landschaft gebildet.
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Auf verschiedenen Wegen machen wir einen Spaziergang durch die Schweizer Wiese, den das Flüsschen Alb durchfließt. Nicht nur der Kurpark, auch die Schweizer Wiese ist ein idealer Rückzugsort zur Entspannung. Es gibt zahlreiche Bänke, Wiesen, Einzelbäume, Baumgruppen, Seen, Springbrunnen und Freizeiteinrichtungen.
Die Felsgruppe des Falkenstein bildet den malerischen Hintergrund im Nordwesten der Parkanlage.
Das Areal gilt mit seiner Siebentäler-Therme als gern besuchtes Naherholungsgebiet und soll für die Gartenschau 2017 als Schwerpunkt präsentiert werden. Die Landesgartenschau steht unter dem Motto „121 Tage Blütentraum und Schwarzwaldflair – ein ganz besonderer Sommer in Bad Herrenalb“.
Im Laufe des Nachmittags reist der Himmel immer weiter auf und die Sonnenstrahlen erhellen die Landschaft, so dass wir auf unserer Rückfahrt noch einen Stopp in Michelbach einlegen. Der Ort, der seit 1975 zu Gaggenau gehört, wurde uns als „das Fachwerkdorf“ genannt. Mit ca. 3.000 Einwohnern liegt es in einem romantischen Seitental des Michelbacher auf einer Höhe von 180 m. Das Michelbachtal ist seit etwa 1050 besiedelt und die Dorfgründung wurde erstmals im Jahr 1102 urkundlich erwähnt.
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Auf dem Lindenplatz mit der Pfarrkirche St. Michael und den umliegenden Fachwerkhäusern und stattlichen Gasthäusern, stellen wir unser Auto ab. Dieser idyllische Platz bildet den historischen Dorfkern. Die Pfarrkirche steht am westlichen Ortsrand, inmitten des von einer teilweise mittelalterlichen Wehrmauer umgebenen ehemaligen Friedhofs. Sie ist die zweitälteste Kirche des Murgtales. Der Schaft des Kirchturms stammt aus dem Jahre 1340, und wurde damals als Wehrturm errichtet. Wir machen einen Spaziergang entlang des Michelbach. Dieser Bach hat dem Tal Gestalt gegeben. Je nach Härte des Gesteins wurde das Tal tiefer oder breiter geformt. Er entspringt auf 620 m Höhe am Hang des Bernsteins und mündet nach 8 km in die Murg.
Das schlängelnde Bächlein ist ein Blickfang und der Weg führt uns an vielen denkmalgeschützten Fachwerkhäusern vorbei, die so aussehen, als wäre die Zeit stehengeblieben.
Die meisten von ihnen wurden zwischen 1750 und 1800 erbaut. Das Heimatmuseum mit der Heimatstube und seinem „Backhiesl“ ist ein typisches Bauernhaus aus dem Jahre 1792. Es wurde in liebevoller, jahrelanger Arbeit von freiwilligen Helfern des Heimatvereins in seinen Urzustand zurückversetzt und zeigt heute das dörfliche Leben vor über 200 Jahren. In dem Haus können nach Vereinbarung handwerkliche und hauswirtschaftliche Geräte sowie Textilien besichtigt werde. Auf Wunsch bekommt man auch eine urige Bewirtung in der Vesperstube. Im Heilkräutergarten hinter dem Haus findet man überwiegend heimische Heil- und Küchenkräuter.
Wir setzen unseren Spaziergang in diesem wunderschönen Tal fort und kommen zu eines der ältesten Gebäude Michelbachs, dem Hirtenhaus. Es stammt aus dem Jahr 1721 und wurde für den Vieh- und Schweinehirten erbaut. Es wurde dem Dorfhirten als Teil seiner Entlohnung zur Verfügung gestellt. Später waren Arme in dem Gebäude untergebracht.
In vielen Arbeitsstunden wurde das Gebäude restauriert und hat sich nun zu einem besonderen Vorzeigeobjekt entwickelt. Heute ist es ein Gebäude für Veranstaltungen wie Konzerte, Seminare, Ausstellungen und private Feiern. Michelbach ist ein liebevoll gepflegtes, sehr schönes Fachwerkdorf und wurde anlässlich der Kreis- und Landeswettbewerbe „Unser Dorf soll schöner werden“ mit Silber- oder Goldmedaillen ausgezeichnet und im Jahr 2004 erhielt es die Silbermedaille auf Bundesebene. Ferner konnte der Ort im Jahr 2002 auf seine 900-jährige Geschichte zurückblicken.
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Die Abendsonne schien nun noch voll auf dieses gemütliche Fachwerk-Städtchen hernieder. Es war wieder warm geworden und wir fanden unsere noch am Morgen benötigten leichten Jacken als lästig, so beschließen wir den Abend im Freien in einem der fünf gut bürgerlichen Gasthöfe ausklingen zu lassen.
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