7. Tag - 20. September 2008 Ausflug nach Minsk mit Geschichtswerkstatt, Kunsthandwerkermarkt, Museum der Geschichte des Großen Vaterländischen Krieges und Abschlussabend
Minsk ist immer einen Ausflug wert und deshalb ging es auch in diesem Jahr wieder dorthin. Für heute hatten wir uns aber etwas Besonderes ausgedacht. Der erste Weg führte uns in die vom IBB Dortmund gegründete Geschichtswerkstatt zur Erforschung des Holocaust in Minsk. Dr. Kusma Kozak, der Leiter der Geschichtswerkstatt, wir hatten ihn vor einigen Monaten auf der Landesgartenschau in Rietberg kennengelernt, erwartete uns schon.
Lernen aus der Geschichte – das ist die Botschaft, die Überlebende des NS-Terrors hier in der Geschichtswerkstatt weitergeben möchten. Gruppen und Einzelpersonen haben die Möglichkeit, sich mit den Ausprägungen der NS-Besatzungszeit in Minsk und ganz Belarus auseinanderzusetzen, erklärt uns Dr. Kusma Kozak bei der Führung durch das Gebäude.
Erinnern am historischen Ort, das ist der Leitgedanke der „Geschichtswerkstatt“, die auf dem Gelände des ehemaligen Gettos in Minsk entstanden ist. Außerdem soll es ein Ort für Gespräche zwischen den Generationen sein. Leider ist die Geschichte des Gettos Minsk und des Vernichtungslagers Trostenez in Deutschland wie in Belarus in der Vergangenheit vergessen worden. In der deutschen Geschichtskultur spielte das Morden in der besetzten Sowjetunion kaum eine Rolle. Die UdSSR galt immer nur als ein Ort des Krieges. Als Ort der Vernichtung von Juden wurde vor allem Polen genannt. So blieb lange Zeit verborgen, dass das Getto Minsk und das Lager Trostenez auch Endstation für Tausende Juden aus dem Gebiet des Deutschen Reiches war, aus Hamburg, Bremen, Berlin, Düsseldorf, Köln, Bonn, Frankfurt, Wien usw. In Belarus dagegen ließen die offiziellen Heldengeschichten des Zweiten Weltkrieges, erzählt als heldenhafter Kampf des belarussischen Volkes und seiner Partisanen gegen die deutsch-faschistischen Invasoren, keinen Raum für das Gedenken an die Verfolgung und Vernichtung der belarussischen Juden.
Am Nachmittag trennte sich erstmals unsere kleine Gruppe. Während einige von uns Minsk zum Shoppen nutzten, hieß es für die Anderen, wie schon am Vormittag, „Auf den Spuren der Vergangenheit“. Besuchen sollte man schon die Haupteinkaufsstraße der weißrussischen Hauptstadt, die Prospekt Nezavisimosti, die sich von der Zentralstation vier Kilometer Richtung Nordosten erstreckt. Entlang dieser Straße findet man die meisten Läden und großen Einkaufshäuser der Stadt, wie etwa das Tsum oder GUM .
Wem die großen Geschäfte nicht interessieren und wer lieber die Märkte der Stadt erkunden will, sollten zum Kunsthandwerkermarkt in der Nähe des Palastes der Republik am Oktoberplatz, gehen. Hier gibt es geschnitzte Holzpuppen, die Matrjoschkas, sie sind beliebte Mitbringsel für Daheimgebliebene oder liebevoll verziertes Kunsthandwerk und handgemalte Gemälde.
Für die nicht Shopsüchtigen ging es in die Allee der Unabhängigkeit, ins Museum der Geschichte des Großen Vaterländischen Krieges 1941-1945.
In diesem Museum kann man sich über das Leben in der Stadt während des Zweiten Weltkrieges und der deutschen Besatzung schlaumachen.
Hier findet man eine reiche Sammlung von Dokumenten und Schaustücken, die dem heldenhaften Kampf des belarussischen Volkes gegen die deutsch-faschistischen Eroberer gewidmet sind.
Die Ausstellung informiert über die Geschichte der Partisanen- und Untergrundbewegung sowie der Kriegshandlungen in Weißrussland in den Jahren 1941-1945. Ein Teil der Ausstellung ist im Besonderen dem Schicksal der jüdischen Bevölkerung gewidmet, um 1900 war immerhin die Hälfte der Stadtbewohner jüdischen Glaubens. Wer Minsk besucht, sollte sich die Zeit nehmen und dieses Museum unbedingt besuchen.
Abschlussabend
Am Abend hieß es dann auch schon Lebewohl zu sagen, denn für den nächsten Tag war am frühen Morgen die Heimreise angesagt. Der Abschiedsabend in Nadeshda war wieder einmal lang und ergreifend und viele äußerten, teilweise bedrückend, ihre Erlebnisse dieser Reise. Wir erinnern uns bei den gemeinsamen Gesprächen an die lachenden Augen der Kinder, die wir hier erneut in Nadeshda getroffen haben.
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Wir denken gemeinsam zurück an eine Reise, die reich an ergreifenden Eindrücken war. Wir haben Menschen kennen gelernt, die zu Freunden geworden sind. Wir haben aber auch Menschen kennen gelernt, die trotz bescheidenster Mittel und schwierigster Lebensbedingungen auf eine Zukunft nach Tschernobyl hoffen.
Die Folgen von Tschernobyl sind überall noch sichtbar und spürbar, doch man will nicht mehr ständig über das Unglück reden, war unser Eindruck.
Manche ergeben sich in ihr Schicksal, manche ertränken die Probleme in Wodka, wie der Sohn des Mütterchen in der Sperrzone.
Uns werden sicherlich die Begegnungen mit diesen Menschen in langer Erinnerung bleiben. „Es ist ein tolles Gefühl, wenn man weiß, dass unsere Hilfe, wenn auch noch so klein, hier gebraucht wird“, so die einstimmige Meinung der Mitreisenden.
Mir persönlich hat die vierte Reise nach Belarus und die Zeit mit den vielen getroffenen Menschen gezeigt, dass das Land, 22 Jahre nach Tschernobyl, noch Jahre lang auf unsere Unterstützung angewiesen sein wird.
Dass die Menschen in Belarus, vor allem die Kinder, Opfer einer gefährlichen Technik sind, die auch heute noch von zahlreichen Politikern und Wissenschaftlern verharmlost oder sogar geleugnet werden.
Traurig macht mich dabei die Aussage der Chefärztin des Krankenhauses in Wetka, Frau Dr. Nadja Zimina: „Um angeblich von anderen Ländern unabhängig zu sein, plane Weißrussland den Bau von zwei Kernkraftwerken.“
22 Jahre sind seit der Katastrophe von Tschernobyl vergangen, ganze Kulturlandschaften sind verschwunden, Tausende von Menschen wurden ihrer Heimat beraubt, immer noch sterben viele an den Folgen der Katastrophe, ich glaube die Menschen lernen nie.
Mein Fazit dieser Reise: Freundschaft kennt keine Grenzen, Radioaktivität auch nicht.
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1. Tag - 14. September 2008 - Hamm, Frankfurt, Minsk 2. Tag - 15. September 2008 - Shlobin, Naturschutzgebiet Smytschek, Ankunft in Gomel 3. Tag - 16. September 2008 - Siedlung Jantarnyj, Gomel, Schloss Rumjantsew-Paskewitsch, Fischerh. M.T. Kuksa 4. Tag - 17. September 2008 - Gesundheitseinrichtungen in Wetka, gesperrte Zone, Museums für Volkskunst in Wetka 5. Tag - 18. September 2008 - Abfahrt nach Nadeshda, Besichtigung der Stadt Bobrujsk, Ankunft in Nadeshda 6. Tag - 19. September 2008 - Kindern in Nadeshda, Betrieb „Narotschanskie Sori“, Landgut „Krasnitsa“ 7. Tag - 20. September 2008 - Minsk mit Geschichtswerkstatt, Kunsthandwerkermarkt und Museum der Geschichte des Großen Vaterländischen Krieges. Abschlussabend
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